Es gibt wenig Dinge, die so kaputt sind, wie das wissenschaftliche Publizieren, gerade im Bereich Mathematik. Daher in dieser Folge ein paar Gedanken dazu.
Es ist etwas länger geworden und es gibt eigentlich noch so viel mehr zum Thema zu erzählen. Zum Beispiel ist es eigentlich erstaunlich, dass die klassischen Verlage die Existenz von Preprint-Servern mit den finalen Versionen von Papers dulden. Ich denke, das ist eine Errungenschaft, die von der Mathematik erkämpft wurde (was wiederum nur möglich war, weil die Mathematik klein genug ist).
Über den ganzen Bereich Fake Journale und Fake Science könnte man auch eine lange Folge machen. Das gibt es auch in der Mathematik. Ich verlinke hier aber besser keine Fake-Journals, sondern nur den erwähnten Talk von Svea Eckert und co.
Gold Open Access ist von der Politik favorisiert, nach Plan S. (Ja, der heißt wirklich so) Ich habe in der Folge auch kaum über den DEAL gesprochen, der Gold Open Access zementiert, den Verlagen hohe APC sichert und mir wie eine Notlösung erscheint, damit sich überhaupt mal irgendwas in Richtung Open Access bewegt. Für Fächer, die eine (grüne) Open Access Tradition haben, kann sich da aber auch einiges verschlechtern.
Wahre Open Access Pioniere in Kombinatorik sind beim Electronic Journal of Combinatorics. Und schließlich gar nicht erwähnt habe ich die arXiv Overlay Journals. Das sind Diamond OA Journale, die noch die Realität anerkennen, dass das Paper auf dem arXiv bereits veröffentlicht ist. Sie hosten also nicht nochmal, sondern die Webseite ist nur eine Sammlung von arXiv Links. Auch dazu noch ein Beispiel aus der Kombinatorik: Advances in Combinatorics.
Automatisch generiertes Transkript (nicht geprüft)
Ja, hallo zusammen. Hier ist der Eigenraum, euer kleiner Mathe-Podcast, der euch auf neue
Gedanken bringt, auf mathematische Gedanken. Und heute will ich euch mal ein bisschen was
erzählen über das Publizieren in der Mathematik und speziell über den Bereich Open Access.
Open Science ist ja ein großer, wichtiger Trend, der bewirken soll, dass die Labore
geöffnet werden, dass man den ganzen Prozess des Wissenschaftsmachens nachverfolgen kann
und in dem Sinne auch veränderbar machen kann, dass man Zugriff auf die Daten hat,
neue Analysen auf alten Daten machen kann oder jedenfalls Einblick bekommt, wie die wissenschaftlichen
Ergebnisse entstanden sind. Ich würde jetzt eigentlich sagen, dass in der Mathematik das
schon relativ offen ist, der Prozess. Das Labor besteht ja meistens nur aus einem kleinen
Computer oder Papier und Bleistift, einer Tafel oder man denkt irgendwie nach. Deswegen
will ich eigentlich hauptsächlich über das Publizieren reden, also um die Veröffentlichung
der Ergebnisse. Und der Anlass ist, dass ich eine Mail bekommen habe, die ich als Spam
klassifizieren würde, aber dazu später mehr. Die kam von dem Journal Mathematics, also
schon ein ganz schön abgefahrener Journalname, steht so auf seiner Stufe mit Nature Science
Mathematics, aber dazu später mehr. Und das Publizieren, das passiert halt in irgendwelchen
Journalen, also man hat irgendwie sein Ergebnis, man hat einen coolen Satz bewiesen und will
den jetzt veröffentlichen, will den mit der ganzen Welt teilen. Und da können wir uns ja mal
anschauen, was dann passiert. Und Journal, das hört sich schon so an nach gedruckt und man hat
das in der Hand und man blättert das durch und dann auf Seite zwei ist das Editorial. Danach
kommt erstmal eine fette Werbung für Golduhren, irgendwie so hört sich Journal an. Und früher
waren wissenschaftliche Journale auch so. Naja, minus die Golduhrenwerbung vielleicht. Aber
heutzutage muss man alles, was man macht, im Kontext des Netzes sehen. Es gibt jetzt das
Internet und alles ist anders, weil es das Internet gibt. Und natürlich ist auch das
Publizieren und speziell das mathematische Publizieren anders, weil es das Netz gibt.
Also diesen Fakt wollen wir immer im Hinterkopf behalten. Also ich spreche über die Kultur in
der Mathematik und vor dem Hintergrund, dass es das Netz gibt. Also solche Eigenheiten, die sich
darauf beziehen, dass das Endprodukt vor 50 Jahren mal auf Papier gedruckt wurde und per Post rum
geschickt wurde, kann man vielleicht auch teilweise über Bord werfen. So, fangen wir also mal an. Und
ich will mal anfangen, indem ich diese Entität Journal vor diesem Kontext, diesem Kontext,
das wir im 21. Jahrhundert sind, aus der Perspektive der verschiedenen beteiligten
Parteien mal analysiere. Also ich will mal verstehen, was ist ein Journal und was kann
das und wie nutze ich das eben aus den verschiedenen Perspektiven, die es da so gibt. Und fangen wir mal
an mit den LeserInnen. Das sind also die, die die wissenschaftlichen Ergebnisse wissen wollen. Also
sie wollen irgendwie hochqualitative wissenschaftliche Artikel. Vielleicht wollen die,
dass die thematisch sortiert sind und vor allen Dingen wollen die eine Qualitätssicherheit. Also
sie wollen, dass im Rahmen von einem Peer-Review-Prozess oder einem anderen geeigneten
Prozess die Qualität der Arbeit, der veröffentlichten Arbeiten sichergestellt ist. Also dass sie nicht
mehr selbst entscheiden müssen, ist das hier alles Mumpels oder versucht mich da jemand zu betrügen
oder ist das eine gesicherte, zumindest eine wissenschaftliche Arbeit, die nach dem wissenschaftlichen
Prozess durchgeführt wird. Die thematische Sortierung ist auch sowas, was jetzt im Kontext
des Konsums im Netz wahrscheinlich keine Rolle mehr spielt. Natürlich ist sozusagen so ein Journal
auch eine Institution. Da hängt eine Community dran, eine Editorial Board oder so. Das heißt,
diese thematische Sortierung passiert einfach automatisch aus dem Prozess wahrscheinlich,
aber für die LeserInnen, so wie sie es konsumieren, würden die wahrscheinlich eh über irgendeine Form
von Link auf einen einzelnen Artikel kommen. Und ob der Artikel jetzt, was in einem Journal der
Nachbarartikel darin wäre, ist vielleicht nicht so relevant, weil die Verknüpfung der Artikel
über Themen oder über direkte Links automatisch, ja vielleicht im Hintergrund erzeugt wird oder
irgendwie automatisch erzeugt wird. Und ganz wichtig, was LeserInnen vor allem in der Mathematik
brauchen, ist ein Archiv, ein umfangreiches Archiv. Wir haben in der Mathematik so das Feature,
dass wir Arbeiten von vor 50 Jahren oder von vor 100 Jahren noch genauso zitieren und benutzen.
Also nicht alle, aber eben die wichtigen. Und auch da drin neue Sachen, die uns unbekannt sind,
entdecken. Es ist mehr der Fall als in anderen Wissenschaften, würde ich sagen, die irgendwie
so einen aktuellen Stand haben, der auch regelmäßig überarbeitet wird. Es ist so,
dass die mathematischen Resultate eher zeitlos sind und man wirklich, also auch in der Recherche
nach irgendwas auf 50 Jahre alte Arbeiten durchaus stößt, von dem man vorher noch nie was gehört
hatte. Das heißt, man braucht also diese Langlebigkeit, das ist vielleicht ein Feature der Mathematik.
So, dann schauen wir uns mal aus der Perspektive der AutorInnen an. So, was wollen die AutorInnen?
Die wollen natürlich die LeserInnen erreichen. Die wollen also eine breite Veröffentlichung
ihrer Ergebnisse und die wollen aber auch dieses Qualitätssiegel. Also dieses Qualitätssiegel,
was die LeserInnen brauchen, um sich sicher zu sein, dass es vernünftig ist, das wollen die
AutorInnen genauso haben, denn für die hängen irgendwie die Karrieren da dran und die beweisen,
dass sie gute Arbeiten machen, indem sie gute Veröffentlichungen schreiben und gute Veröffentlichungen
muss man zertifiziert bekommen. Also diese Journale, eine wichtige Funktion, würde ich sagen,
die diese Journale leisten, ist auch, die wissenschaftliche Qualität, Schöpfungskraft,
Innovation und eben positive Eigenschaften von Veröffentlichungen zu bewerten. Das ist also auch
ein, auch das Publikationssystem ist ein Bewertungssystem. Ja, AutorInnen wollen eventuell
auch Unterstützung bei dem ganzen Prozess des Veröffentlichens. Die AutorIn selbst kann ja
nicht sicherstellen, dass ihr Paper für 100 Jahre im Netz verfügbar bleibt oder noch länger, da wir
sie natürlich auf eine Institution zurückgreifen, die wahrscheinlich am besten langlebiger ist als
so ein menschlicher Körper, aber auch schon bei ganz einfachen Sachen, vielleicht professionellen
Satz, vernünftige Abbildung, möchte sie vielleicht auf professionelle Hilfe unter zurückgreifen und
eben auf Netzwerke, auf Spezialisierung, Leute, die das immer machen. Okay, was haben wir noch für
Player? Wir haben die Verlage, die, würde ich sagen, das ist ein Geschäftsmodell, die sind irgendwie
organisiert, aber die als Dienstleister, ich sehe die ein bisschen so als Dienstleister, würde die jetzt
mal mit ihren Interessen hier außen vor lassen, da wir ja in so einem kompletten Diskurs vielleicht
überlegen würden, ob wir die überhaupt brauchen. Als dritten Player habe ich jetzt mal noch die
Bibliotheken und Öffentlichkeit mir überlegt. Also was will denn die Öffentlichkeit? Die Öffentlichkeit
hat einen großen Bedarf an einer glaubwürdigen Wissenschaft, also eine glaubwürdige Wissenschaft,
die funktioniert und gesicherte Erkenntnisse produziert. Das heißt, die brauchen einfach die
Existenz eines Ökosystems von Journalen, dem sie vertrauen können und in dem sie auch sich
zurechtfinden. Also auch von außen braucht man irgendwie einen Einblick, was sind hier die besten
Veröffentlichungen und was sind vielleicht eher zweitrangige, was hat den meisten Impact,
der möglich sein, also dieser Einblick soll möglich sein, zumindest für Journalistinnen,
Journalisten und zum Teil auch eben nicht Experten. Also man braucht Erkenntnisse,
die einordnenbar sind und verlässlich. So, und jetzt hat man bei der Öffentlichkeit
vielleicht noch einen zusätzlichen Anspruch und der führt mich dann zu Open Access, ist eben diese
freie Verfügbarkeit. Also die Gesellschaft hat ein Interesse daran, dass die wissenschaftlichen
Ergebnisse frei verfügbar sind. Und letztendlich haben die Autorinnen daran auch ein Interesse,
ein eigenes Interesse. Sie wollen, dass ihre Arbeiten studiert werden, dass es gelesen wird
und dass es möglichst keine Barrieren gibt für den Zugang. Die Leserinnen haben natürlich auch
das gleiche Interesse, die wollen es ja lesen und wollen keine Barrieren haben. Aber auch die
Öffentlichkeit hat eben ein massives Interesse daran, dass zum Zwecke der Innovation, des
Fortschritts und einfach auch, weil sie etwas bereits gekauft haben durch die Investitionen
und das Wissenschaftssystem, dass die Ergebnisse davon frei verfügbar sind und so eben zur
Verfügung stehen für Innovation und eben das immer wieder aufbauen auf den vorherigen Erkenntnissen
für neue Erkenntnisse und Transfer in die Wirtschaft und so weiter. So, und das Ganze
jetzt vor diesem Hintergrund des Interesses, das alle haben, dass es möglichst nichts kosten soll.
Also das ist sozusagen jetzt ein System, da wird irgendetwas gemacht, eben dieses Publizieren,
das Archivieren und so weiter. Und die Frage ist jetzt, wer bezahlt das? Und da gibt es eben unter
dem Mandat, dass das frei verfügbar sein soll, verschiedene Modelle. Und die kann man so mit so
einfach zusammenfassen, wer bezahlt oder es kämpfen sich da so verschiedene Open Access-Farben etabliert,
die ich noch kurz durchgehen kann hier. Also fangen wir mal mit dem klassischen Publikationsmodell an.
Da kostet die Zeitschrift, Geld zu abonnieren. Also die Bibliothek abonniert eine Zeitschrift und wer
kein Abo hat, kann es nicht lesen. Also im 21. Jahrhundert im Internet bedeutet das, dass es da
so eine Bezahlschranke gibt und nur mit der richtigen IP-Adresse oder dem richtigen Login
kommt man an die Ergebnisse. Das entsteht natürlich dem freien Zugang zu den wissenschaftlichen
Erkenntnissen entgegen und deswegen hat sich da dieses grüne Open Access-Modell entwickelt,
dass man eine Vorabversion, den Preprint, einfach ins Internet hochlässt, entweder auf spezielle
Preprint-Server oder auf einer Homepage und dadurch zumindest die originäre Version, die die
Autorin mal geschrieben hatten, ganz am Anfang, bevor es den Peer-Review-Prozess durchlaufen hat,
frei im Netz verfügbar ist. Und das nennt man den grünen Weg und das ist erstmal der Fakt, wie das
einzuschätzen ist, komme ich gleich dazu. Dann der goldene Weg. Diese Farben, die enthalten natürlich
auch Wertungen, aber da komme ich auch gleich noch dazu. Also der goldene Weg verlagert das
Bezahlen auf die Autorinnen und Autoren. Das heißt, die Ergebnisse sind frei verfügbar,
es gibt keine Bezahlschranke mehr und die Verlage nehmen das Geld ein, indem sie für jedes Paper,
was akzeptiert ist, was sie dann verarbeiten wollen, in dem Moment, wo es akzeptiert ist,
aber sie mit ihrer Verarbeitung beginnen, eine Gebühr verlangen, die irgendwie bezahlt werden
muss, entweder durch die Institution oder die Autorin selbst oder eben irgendwen. Dann gibt es
das diamantene Modell, ich nenne es gerne Nobody Pays. Also das erste war die Leserzahlen, das
zweite war die Autorinnenzahlen, das dritte ist Niemand bezahlt. Das bedeutet, dass die Wissenschaft
die Journale selbst organisiert, komplett selbst organisiert, denn man könnte sagen,
meine Beschreibung eines Journals unterscheidet sich nicht sehr von der Beschreibung einer Webseite.
Die Autorinnen wollen irgendwo ihre Sachen veröffentlichen, warum nicht im Netz? Die
Leserinnen wollen irgendwo die Sachen finden, warum nicht im Netz? Die Öffentlichkeit möchte,
dass es schön archiviert ist, warum nicht im Netz? Also könnte man auf die Idee kommen,
wir machen unser Journal einfach selbst und das nennt man dann den diamantenen Open Access Weg.
Und dann könnte man sich noch andere Modelle ausdenken, ich weiß nicht, ob es noch weitere
etablierte sind, vielleicht Pink Open Access oder so, jeder zahlt, das wäre dann sowas wie der
öffentlich-rechtliche Rundfunk, also dass man irgendwie so eine Umlage finanziert, das
Publikationssystem zentral steuert vielleicht oder so, aber ich glaube, sowas wurde nie diskutiert,
also man kann sich natürlich auch noch andere Sachen ausdenken. So, dann gehe ich jetzt mal ein
bisschen durch. Also dieses Grüne. Grün bedeutet, man hat eine Subskription, also ein Abo-Modell und
wenn man darüber nachdenkt und wir in der Mathematik denken ja viel darüber nach,
ist das völlig unlogisch. Also man hat einen Preprint-Server, in der Mathematik ist das
dieses Archive, A-R-X-I-V und wenn man eine Arbeit fertig hat, legt man die als erstes erstmal da
hoch. Das ist das Erste, was ich mache, wenn ich ein Paper fertig habe, ist es auf diesen Archive
Server zu laden und damit ist es veröffentlicht. Zumindest die Version, die ich für richtig halte
und die geht dann in den Peer Review, dann schicke ich es noch zu einem Journal, da geht
es ins Peer Review, wird dann hoffentlich verbessert und das dauert alles eine Zeit und
habe ich eine Version, die akzeptiert wird vom Journal. Ich lasse mich aber natürlich nicht
daran hindern, die auch hochzuladen. Also auch meine finale Version, die ich zum Journal gebe,
zum Druck oder zum Satz oder was auch immer die damit noch machen wollen vor der Veröffentlichung,
die lade ich natürlich auch aufs Archive hoch. Also Verbesserungen, die im Peer Review-Prozess
passieren, landen jedenfalls bei meinen Sachen und bei vielen Kolleginnen und Kollegen ist es
genauso, auch auf dem Archive. Das heißt, der Text ist verfügbar. Den Satz habe ich natürlich
selbst gemacht. Mit LaTeX ist das kein Problem, wir machen das in der Mathematik alles selbst
und da gibt es auch eine große Liebe zum Detail, würde ich jetzt mal so einschätzen. Und dann
kommen die eben, machen daraus ihre Version, manchmal sieht die besser aus als meine,
manchmal sieht die schlechter aus als meine, oft sieht die schlechter aus als meine, würde ich
mal sagen. Also der Verlag macht damit irgendwas und veröffentlicht das dann in deren Sinne. Also
noch mal hinter einer Bezahlschranke. Während es genau das gleiche auch gibt, gratis. Mit
besserer Typografie. Und das ergibt eben keinen Sinn. Also Abos, in dem Sinne werden Abos im
Prinzip Commitments der Bibliotheken oder so eine Art Spenden an die Verlage. Dieses Modell wird von
verschiedenen Playern betrieben. Das kann man For-Profit betreiben. Dann müsste man sich versuchen,
die Journale zu kaufen, die am höchsten gerankt sind und die dann ganz teuer an die Bibliotheken
zu verkaufen, weil keine anständige Bibliothek, was sie auf sich hält, sich leisten kann, so ein
Top-Journal nicht zu abonnieren. Und am besten macht man das auch in einem Feld, was nicht so
eine gute Preprint-Kultur hat, wie die Mathematik. Ich denke da zum Beispiel an Medizin oder Biologie.
Und dann kann man damit richtig reich werden. Und diese Abschöpfung, die haben gewisse Firmen,
wie zum Beispiel Elsevier, perfektioniert. Und das führte eben zu einer großen Diskreditierung des
ganzen klassischen Publikationssystems, obwohl mit dem grünen Open-Access-Weg eigentlich so eine
etwas seltsame, aber doch erstaunlich widerstandsfähige Art und Weise existiert,
wie das überleben kann. Also dieses System existiert parallel. Man fragt sich, warum sollte
jemand das abonnieren? Aber vielleicht, wenn man diese Abos als Spenden sieht oder als Beitrag der
Bibliotheken an den Erhalt von diesen Verlagen, zumindest wenn es vernünftige Preise sind,
dann kann das funktionieren. Und meiner Meinung nach ist es auch ein sinnvoller Weg, denn das
hält die Abo-Gebühren eben in Schach. Also wenn es nicht darauf ankommt, dass das Abo die Texte
zur Verfügung stellt, weil die sowieso auf dem Preprint-Server sind, dann sind die Abo-Gebühren
immer eine Art Spende oder eine Art Commitment zu einem Prozess. Und wenn sie zu hoch sind,
dann committet man sich eben nicht mehr zu diesem Prozess. Es gibt auch neuere Modelle,
wie Subscribe to Open zum Beispiel. Das bedeutet, dass ein Verlag wirklich als Non-Profit organisiert
ist, zum Beispiel eine Fachgesellschaft oder einfach eine Non-Profit-Organisation,
die von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern selbst betrieben wird,
die dann irgendwann einfach aufhört, Subskriptionsgebühren zu nehmen. Also,
wenn dann ein paar reiche Unis bestellt haben, dann kriegen alle anderen das gratis. Okay,
soviel zum Grünen. Das Interessante, worüber ich jetzt eigentlich reden wollte, ist das Goldmodell.
Das Goldmodell also sollte Folgendes leisten, die Autorinnen zahlen und die Leserinnen zahlen
nicht mehr. Also es verschiebt sich auf die Autorinnen. Und politisch ist das sehr beliebt,
das wurde aber sofort gegamed. So wie diese Idee in der Welt war, entstanden sowas wie Fake
Journals. Fake Journals bedeutet man, was ist ein Journal? Hat man ja oben geklärt,
ein Journal ist eine Homepage. Man setzt also eine Homepage auf mit einem cool klingenden Namen,
vielleicht irgendwas, was es noch nicht gibt, sowas wie Mathematics oder Natural Mathematics
oder irgendeine Kombination von zwei Worten, die nach einem wissenschaftlichen Journaltitel
klingen und macht dann eben, ja, entweder man macht das mit Peer-Review-System oder man macht
das ohne Peer-Review-System und lässt dann gegen Geld dort Sachen veröffentlichen. Und
dieser ganze Prozess, der ist ja im Prinzip schon in der Hand der Wissenschaftlerinnen. Das heißt,
man bekommt von denen fast produktionsreife PDFs und stellt die dann auf eine Homepage
gegen eine Gebühr, die zwischen, ja, die legt der Markt fest, diese Gebühr. Das ist so die Theorie.
Und man sieht sofort, man darf eben keine Grundannahmen machen, wie zum Beispiel,
dass alle Wissenschaftlerinnen redlich sind oder dass niemand versuchen würde,
sich als Wissenschaftler auszugeben durch Publikationen in solchen Journalen. Und
solange der Prozess halbwegs intransparent ist oder halbwegs nach Wissenschaft aussieht,
wird es auch nicht so leicht sein für Leute von außerhalb, diese Fake-Journale von echten
Journalen zu unterscheiden. Ja, Profis können das, aber Profis haben auch viel zu tun. Journalisten
haben auch viel zu tun und eine Weile lang wird es schon gut gehen und eine Weile lang ging es auch
gut. Es gibt einfach einen Markt für, ich kaufe mir etwas, das aussieht, als hätte ich wissenschaftlich
publiziert. Sowas kauft man sich immer mit ein, in diesem Gold-Open-Access-Modell. Und ich empfehle
euch da mal einen Talk, packe ich mal in die Shownotes von Zveja Eckert, das ist eine Journalistin
vom NDR, wenn ich mich recht entsinne, die in dieser ganzen Maschinerie der Fake-Journals mal
unterwegs war und da gibt es einen Talk auf dem CCC-Kongress. Aber selbst ohne Fake-Journale ist
das schon ein interessantes Gedankenexperiment. Da kann man sich mal überlegen, wie das bei
anderen Zeitschriften wäre. Also es gibt natürlich Unterschiede, aber sagen wir mal,
der Spiegel oder der New Yorker oder irgendein Magazin würde darauf wechseln, dass die Autoren
bezahlen müssen, die Publikationskosten bezahlen müssen, um in so einem Journal zu veröffentlichen.
Und nicht nur das, nicht nur ein Journal würde das machen, sondern es würde einen Druck geben,
dass die gesamte Publikationslandschaft sich darauf umstellt, auf ein System, wo die Autorinnen
bezahlen. Und dafür wird eben alles, wird einfach alles publiziert. Und das vor dem Hintergrund,
dass das echte Publizieren im Prinzip nichts mehr kostet. Ja, das echte Publizieren ist,
ich nehme ein PDF und stelle es auf eine Homepage. Ich gebe zu, das ist natürlich Low-Level-Publishing.
Natürlich, wenn man vernünftig publizieren will, dann muss man es archivieren, langlebig machen,
einen schönen Satz bewerben, indizieren, mit Bibliotheken zusammenarbeiten. Aber unter
Kostendruck kann man das ja vielleicht auch alles erstmal weglassen und dann ist Publizieren im
Prinzip auf eine Homepage hochladen. Und wenn mir jemand 500 Euro dafür gibt, dass ich irgendwelchen
Quatsch auf eine Homepage hochlade, dann könnte ich auch geneigt sein, das zu tun. Okay, das sind
die Fake-Journale. Und also mit diesem Gedankenexperiment mit dem New Yorker oder dem
Spiegel kommt man eben nicht weit. Auch die seriösen Verlage, die großen Verlage, denen man
vertraut, die haben auch angefangen, dann so Hybrid-Journale zu machen. Das war noch besser.
Die haben gesagt, okay, ihr wollt gern bezahlen beim Publizieren, kein Problem, bieten wir euch an.
Wir machen jetzt ein Hybrid-Journal. Ein Hybrid-Journal ist eins, was genauso Abo-Gehören
kostet wie ein normales Journal. Und wenn aber die Autorin oder der Autor zahlt, dann ist dieses
eine Paper frei verfügbar, das für das bezahlt wurde. Der Rest vom Journal ist weiterhin hinter
der Paywall. Und das ist so ein klassisches Double-Dippling. Also wenn zwei, also Author,
wenn die Leserin zahlen wollen und die Autorin zahlen wollen, dann super, nehmen wir Geld von
beiden. Und dann gibt es auch Gold-Open-Access-Journale von Top-Verlagen. Die hatten dann
meistens so Start-Angebote, also die klassischen Verlage, die wollten das dann auch mal ausprobieren,
haben dann so neue Journale gestartet, Gold-Open-Access-Journale, die dann wirklich frei waren,
das ganze Journal. Aber warum sollte ich jetzt da was hinschicken, wenn ich Mathematiker bin,
mein Artikel ist sowieso auf dem Archiv, der ist frei verfügbar, und jetzt schicke ich den zu einem
Journal, wo ich einmal 2.500 Euro dafür bezahlen muss, dass der veröffentlicht wird. Und veröffentlicht
wird, ich sage es immer, veröffentlicht wird, aber dass der Verlag den nochmal auf eine Homepage
stellt, nachdem der schon auf dem Archiv ist. Und nochmal diesen Prozess des Satzes macht,
den ich auch schon gemacht habe. Und das Peer-Review machen meine Kolleginnen ehrenamtlich,
und das Editorial-Board ist auch ehrenamtlich besetzt von all meinen Kolleginnen und Kollegen.
Also diese, diese Idiotie, die hält ja im Prinzip kein Mensch aus. Wir sind ja auch keine Dinosaurier,
wir wollten der Sache erst mal offen gegenüberstehen, dem Open-Access. Dann schickt man natürlich zu
dem ersten, zur ersten Ausgabe von so einem neuen Open-Access-Journal, da schickt man mal was hin.
Aber da kostet es auch noch keine Gebühren. Da gibt es dann meistens so ein Modell,
die ersten drei Jahre kostet es nichts. Und keiner hat was bezahlt, das steht zweimal im
Internet. Einmal auf dem Archiv, einmal auf der Journal-Homepage. Aber das wird natürlich auf.
Also irgendwann sind die drei Jahre rum, und dann schickt da natürlich keiner mehr was hin. Und
dann werden die Einreichungen bei so einem Journal natürlich weniger. Und niedrigere Qualität. Weil
die Leute, die sich ausurten können, wo sie veröffentlichen, dort dann nichts mehr hinschicken,
weil sie diese Idiotie nicht mitmachen wollen. Und das haben diese Journale zu spüren bekommen.
Und da haben auch einige wieder zugemacht. Und sie befinden sich, so ein Journal befindet sich
sofort auf so einer rutschigen Ebene. Und das ist eigentlich das, worauf ich heute hier so ein
bisschen hinweisen will. Es ist dieses Gold Open-Access führt zu einer rutschigen Ebene.
Also das Journal, ein Journal, wir stellen uns ein Journal vor, das beginnt mit den allerbesten
Intentionen. Hochqualitative Wissenschaft hat ein hochqualitatives Editorial Board und macht
Mathematik. Will Mathematik veröffentlichen nach dem Gold Open-Access-Modell. Und bekommt
drei Jahre lang irgendeinen Grant, mit dem diese Article Processing Charges übernommen werden. Und
jetzt sind die drei Jahre rum. Und jetzt sind die Submissions weniger. Also die Einreichungen werden
weniger. Und die Einreichungen werden niedriger Qualität, weil die Leute eben nicht bereit sind,
2500 Dollar dafür zu bezahlen, dass etwas nochmal veröffentlicht wird, was im Prinzip veröffentlicht
ist. Und was kann man dann noch machen als Journal? Also man könnte dicht machen. Macht einfach dicht,
das ist passiert. Oder man macht eben Marketing. Man versucht irgendwie Methoden zu haben. Also
was für Methoden steht in so einem Verlag zur Verfügung, um diese Einreichung zu generieren?
Man kann jetzt mit einer dreijährigen Geschichte von so einem Journal, kann man jetzt nicht sagen,
das wird deine Karriere boosten, wenn du hier veröffentlicht. Man muss sich dann eben Marketing
Methoden zuwenden. Und dann kommen wir jetzt zu der Mail von der Zeitschrift Mathematics von ganz
vom Anfang, die ich erhalten habe. Ich lese jetzt mal in ihrer Gänze vor. Die ist auf Englisch,
kann aber so ein bisschen nebenbei übersetzen. So, also, dear Professor Karla, bla bla bla. We
invite you to join us as guest editor for the Open Access Journal Mathematics. Also,
wir laden Sie ein, Gasteditor zu sein für das Open Access Journal Mathematics. Und das soll
sein für ein Special Issue. Und das Suggested Topic, was Sie mir dann vorschlagen, ist Theory
and Applications of Algebraic Topology. Ein Gebiet, ich weiß, dass Algebraic Topology,
algebraische Topologie existiert, aber ich habe keine Veröffentlichung in diesem Gebiet. Also,
ich bin offensichtlich nicht geeignet. Und sie schreiben weiter, you have been invited based
on your strong publication record in this area. Also, Sie haben festgestellt, dass ich eine starke
Publikationstätigkeit in diesem Gebiet habe. Meiner Einschätzung nach habe ich null. Ich
habe null Publikationstätigkeit in diesem Gebiet. Wie Sie auf mich gekommen sind,
ist vielleicht auch nicht weiter wichtig. Und dann geht es noch weiter, noch mehr Honig
um den Bauch. Also, strong researcher und ich bin Netzwerkknoten und bla bla bla bla bla. Und
ich soll eben dieser Gasteditor werden. Und das, was Gasteditor zu sein bedeutet, also,
die machen dann so ein Special Issue. Und was das bedeutet, ist, ich soll jetzt die Submissions
besorgen. Durch dieses Honig im Bart schmieren versuchen Sie zu erreichen, dass ich jetzt die
Submissions besorge. Sie können es selbst nicht. Sie haben keine Ahnung von Mathematik. Deswegen
schicken Sie mir was über Algebraic Topology und versuchen zu erreichen, dass ich Ihnen Ihre
Submissions generiere. So funktioniert es. Ich kriege nicht nur diese Mail. Ich bin auch
eingeladen worden, Special Issue Statistics in Biology with Applications of Algebra Special
Editor zu sein oder ein genereller Mathematics Topic Editor. Ein Topic Editor kommt noch mit
mehr Benefits. Zum Beispiel ein Reisegrant von 300 bis 500 Schweizer Franken pro Jahr,
wenn der Reisegrant zu einem Successful Special Ich führt. Der Verlag könnte auch meine Konferenzen
sponsern oder ich könnte auch vergünstigt publizieren. Also, ich selbst könnte vergünstigt
publizieren in dem Journal. Und man sieht das schon. Also, dieses Marketing ist sozusagen
aggressives Marketing, was darauf basiert, dass Leute da reingezogen werden, damit die ihre
Kollegen wieder so Multilevel Marketing, damit die ihre Kollegen wieder dazu bringen, dort was
hinzuschicken, die dann bezahlen. Und letztendlich ist das Anreizsystem ganz klar darauf ausgerichtet,
möglichst viel zu publizieren. Also, Sie brauchen Submissions. Sie brauchen möglichst viele
Submissions, um möglichst viel zu publizieren, um möglichst viel Einnahmen zu haben. Gleichzeitig
müssen Sie natürlich die Kosten senken, also die Services reduzieren und befinden sich auf
einer absolut rutschigen Ebene Richtung Fake-Journal. Also, der natürliche Gleichgewichtszustand,
wohin dieses System sich bewegt, ist, man bezahlt für Publikation. Man bezahlt dafür,
dass mein PDF auf dieser Homepage mit dem Label Publiziert in Mathematics veröffentlicht wird.
Natürlich machen die einen Peer-Review-Prozess, aber es gibt eben Einfluss. Der finanzielle Druck,
auch die müssen ihre Mieten bezahlen, die Verlag ist in der Schweiz, der finanzielle Druck wird
sich durchdrücken. Der drückt sich durch auf das Peer-Review-System, auf die Qualität. Und
letztendlich, wenn alle Submissions abgelehnt werden und das Version-Issue nicht zustande
kommt, dann was dann? Und vor diesem Hintergrund sehe ich keinen Weg, wie dieses Gold-Open-Access
nicht zu einer Riesenmenge von Journalen auf dieser rutschigen Ebene führen soll. Also,
selbst mit den besten Intentionen und den besten Kolleginnen und Kollegen wird es immer diesen
Konflikt geben. Es wird immer diesen Konflikt geben, dass es, weil der Markt völlig offen ist,
jeder kann ein Journal starten, dass es einfach so viele Journale gibt, dass viele von denen auf
der rutschigen Ebene sind und letztendlich konvergieren zu einem Bezahle-für-eine-Veröffentlichung-Modell.
Das Ganze ist jetzt vor dem Hintergrund, dass Gold-Open-Access das favorisierte Modell der
Politik ist. Das kann ich mir, in der Mathematik kann man das nicht verstehen, ich kann das nicht
verstehen, aber man muss es vor dem Hintergrund sehen von Feldern, die eben keine starke Preprint-Kultur
haben. Also, man könnte das meiner Meinung nach auch durch eine Preprint-Kultur lösen,
aber das ist eben fachspezifisch sehr unterschiedlich. Und dieses Gold-Open-Access-System
wird jetzt in diesen Deal-Verträgen im Prinzip von oben herab mandatiert und man versucht,
die existierenden Journalen, die eine Reputation haben und ein vernünftiges System und die gute
Submissions bekommen, dazu zu bringen oder dazu zu zwingen, dass sie eben in dem Gold-Open-Access-Modell
funktionieren. Also, ich will nicht sagen, dass es da keine guten Journale geben kann,
aber es gibt meiner Meinung nach für jedes Journal, das mit diesem Gold-Open-Access-Modell
funktioniert, diese rutschige Ebene. Was passiert, wenn die Submissions irgendwann zu wenig werden?
So nach Gold bleibt uns also jetzt noch Diamond-Open-Access, das Diamanten-Modell. Was
könnte besser sein als das? Das ist also das Nobody-Pays-Modell. Und es gibt irgendwie
Bereiche der Mathematik, in denen das sich etabliert hat. Ein solcher Bereich ist zum
Beispiel die Kombinatorik, in der es, vor allen Dingen Fokus auf algebraische Kombinatorik,
würde ich jetzt mal sagen, in der es etablierte Journale gibt, zum Beispiel das Electronic
Journal of Kombinatorics, die dieses Open-Access-Modell schon von Anfang an fahren. Also,
als Community ein Journal zu organisieren, zu erkennen, dass ein Journal eben eine Webseite
ist und frühzeitig so ein Electronic Journal of Kombinatorics zu starten, das komplett elektronisch
funktioniert und dann eben niemand bezahlt irgendwas, außer vielleicht Hosting-Kosten,
aber sowas wie Hosting-Kosten können ja leicht übernommen werden, weil die sich meistens
in Grenzen halten. Was könnte man also gegen dieses Diamond-Modell anführen? Warum funktioniert
nicht alles so? Ein bisschen ist es natürlich so, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
auch nicht alle Aufgaben selbst übernehmen wollen und auch nicht alle Aufgaben selbst
übernehmen sollen. Man fragt sich natürlich, warum, wie konnte es zu so einer Situation
kommen, dass wir in der Mathematik eben auch noch alle Expertinnen und Experten zu Publishing,
zu Typesetting, zu Langzeitarchivierung und zu all diesen Sachen hervorbringen, während
wir eigentlich sonst in einer Gesellschaft leben, die sehr arbeitsteilig ist und all
diese Sachen an Spezialistinnen und Spezialisten auslagert. Und das ist auch so ein bisschen
ein Widerspruch. Also, warum soll die Mathematik-Community sich selbst diese ganzen Fähigkeiten alle
aneignen? Und so ein bisschen ist, würde ich sagen, ist es aus der Not geboren, da
einfach die Qualität auch bei den Verlagen immer schlechter wird, wegbricht und man selbst
mit Bordmitteln, mit selbstgebauten Lösungen zum Teil bessere Ergebnisse erzielt als die
vermeintlichen Profis in den Verlagen. Und ich denke, dass solche Diamond-Open-Access-Lösungen,
die einfach dieses Ganze, was macht ein Verlag, zu einem so niedrigen Preis anbieten, dass
es einfach einen kleinen Sponsor gibt, der sowas übernimmt. Also, wenn es dann wirklich
nur noch Hosting-Kosten gibt und vielleicht irgendwie ein Editorial-System, das vielleicht
als Open-Source-Lösung entwickelt werden könnte, dann hat man ja dort nur noch die
Arbeitskraft, die auch jetzt schon ehrenamtlich von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
geleistet wird. Mein persönliches Fazit ist eigentlich, dass viele Widersprüche, die
wir sehen im Publikationssystem für die Mathematik, dadurch entstehen, dass wir eigentlich das
Problem gelöst haben. Wir haben eine Open-Access-Kultur, die darauf basiert, dass wir unsere Arbeiten,
so wie sie fertig sind, aufs Archive hochladen und im Idealfall die begutachtete und verbesserte
Version dann nochmal aktualisieren, sodass der endgültige Text, zumindest ohne gestalterische
Elemente, die vielleicht noch dazugekommen sein könnten, aber zumindest der Inhalt,
die Texte, die Theoreme, die Beweise in der finalen Form sowieso frei verfügbar sind
auf Preprint-Servern und der Publikationsprozess dadurch irgendwie konterkariert wird. Und
das führt jedes Modell so ein bisschen hinters Licht oder ad absurdum, denn selbst in dem
klassischen Abo-Modell fragt man sich dann natürlich noch, was soll, was soll man jetzt
noch die Zeitschriften abonnieren? Warum sollen wir jetzt noch dieses ganze Geld an die Zeitschriften
geben, damit diese nochmal veröffentlichen in irgendwie einfach nur einer anderen Version,
die eben keinen Qualitätsvorsprung mehr aufweisen können? Und da wäre meine Antwort eben,
dass es in so einer Art Spendenmodell, also die Verlage müssen in diesem Modell beweisen,
dass sie ihre Dienstleistungen wert sind. Also man würde die Journale vielleicht abonnieren,
wenn man weiß, dass dort hinter ethische Policies stehen, not for profit gearbeitet wird und ein
echter Mehrwert für die Community entsteht. Und dieses Arbeiten mit einem echten Mehrwert für
die Community, das könnte natürlich auch in dem Gold Open Access Modell passieren. Letztendlich
irgendwo werden Dienstleistungen erbracht und dafür muss bezahlt werden. Und da fragt man sich
jetzt, warum soll dieses eine Modell für eine Dienstleistung zu bezahlen besser sein als das
andere? Das eine Modell bezahlt vorher von denen, die die Dienstleistung haben wollen. Das andere
Modell bezahlt hinterher von denen, die die wollen, dass die Dienstleistung vernünftig
erbracht wurde und es dann konsumieren. Mein Fazit ist, dass für die Mathematik Gold Open
Access ein Holzweg ist und vielleicht sogar für die ganze Wissenschaft. Und das liegt eben daran,
dass die wissenschaftliche Qualität, dass es einen finanziellen Anreiz gibt, die wissenschaftliche
Qualität zu senken, weil es eine direkte Kopplung gibt zwischen Anzahl der veröffentlichten Artikel
und monetären Anreizen. Während es im grünen Open Access Modell eine direkte Kopplung gibt
zwischen dem monetären Erfolg und der Qualität der veröffentlichten Artikel. Die Zeitschrift,
die die besten Artikel auswählt, die Zeitschrift, die die höchsten Qualitätsstandards hat,
die hat ihre Abos sicher. Während der finanzielle Erfolg einer Zeitschrift im Gold Open Access
Modell davon abhängt, wie viele Artikel sie zu welchem niedrigen Preis akzeptieren,
veröffentlichen und produzieren kann. Und das eine Modell, das grüne Open Access Modell geht
Richtung Qualität, während das Gold Open Access Modell Richtung Quantität geht. Und dann ein
bisschen abseits davon gibt es das diamantene Open Access Modell, was irgendwie ein bisschen
daran krankt, dass man eben doch alles selbst machen muss und nicht mehr auf Expertise zurückgreifen
kann. Also man entscheidet sich mit dem diamantenen Open Access Modell eben, keine
Dienstleistungen mehr einzukaufen. Dann bezahlt natürlich niemand was, aber letztendlich bezahlt
man doch, weil die Dienstleistungen eben von den Wissenschaftlern und Wissenschaftlern selbst
erbracht werden. Okay, das war also mein Rundumschlag hier. Einmal meine mathematische
Sicht auf das Publikationswesen und die Farben von Open Access. Und vielleicht habt ihr Interesse,
mir eine Meinung dazu zu schicken. Dann könnt ihr das über die Feedback-Adresse machen,
feedback-at-eigenpott.de, Pott natürlich mit D. Oder ihr probiert mal die Kommentare auf der
Homepage aus. Das würde mich sehr freuen. Und jetzt ist es schon wieder ganz schön lang geworden,
deswegen mache ich jetzt mal Schluss und hoffentlich hören wir uns bald mal wieder,
hier auf diesem Kanal. Macht's gut. Tschüss!
Hallo
Sehr interessante Folge erstmal. Das Publikationsthema ist eines, welches mich auch häufiger beschäftigt, vorallem seit dem es so viele Berichte über Scam Journals gab, bei denen jeder alles einreichen kann. Wenn man sich z.B. die Szene der „alternativen Medizin“ anschaut, versuchen sich viele Leute einen wissenschaftlichen Anstrich, durch gekaufte Publikationen, zu geben. Was zu mal wirklich gefährlich sein kann.
Ich selber bin jetzt nur Student und bisher wenig selbst mit dem Publikationswesen in Berührung gekommen. Aber eine Frage, die ich mir häufig stelle ist, wieso man das Thema überhaupt in mehr oder weniger marktwirtschaftliche Hände legt und Journals nicht entweder direkt durch Hochschulen oder Hochschulverbände oder staatliche Institutionen oder überstaatliche Institutionen organisiert werden.
Ein gutes und funktionierendes Publikationswesen ist ja, wie in der Podcastfolge schon erklärt, von hohem gesellschaftlichem Interesse. Und es braucht ja ein Mindestmaß an Arbeit. Also, dass es Menschen gibt, die Server warten, Reviewer für die Publikationen suchen etc.
Sollte so etwas deshalb nicht vom Staat oder besser sogar vielen Staaten finanziert werden (um die Unabhängigkeit von Wissenschaft zu sichern). Also quasi eine Art durch Steuergelder finanziertes Diamant System.
Vielleicht gibt es da auch wieder Schwierigkeiten, aber das wären meine Gedanken zu dem Thema.
Mit freundlichen Grüßen
Fredrick
2 kurze Antworten dazu:
– Selbstorganisiertes Publishing gibt es ja z.b. durch Fachgesellschaften wie SIAM, AMS, EMS, usw. Das ist auch ein Teil des Markts der mit fairen Abogebühren soweit gut funktioniert. Aber privatwirtschaftliche Verlage können z.B. mit Risikokapital berühmte Journals einfach kaufen und vermarkten.
– Es ist ganz normal in der modernen Wirtschaft, dass sich Aufgabenbereiche ausdifferenzieren und dann spezielle Firmen, das richtig gut machen und als Dienstleistung anbieten. Das ist dann idealerweise besser und effizienter, als wenn die Wissenschaftler:innen alles selbst machen. Durch Marktversagen und falsche Anreizstrukturen funktioniert es aber hier nur mittel bis gar nicht.
Der Markt ist ein Sieb, vergleichbar mit dem „Das Sieb des Eratosthenes“. Oh sorry, du bist keine Primzahl, fällst durch Sieb…
Danke für die interessante Folge und den Einblick in das Publikationswesen in der Mathematik.
Zwei Fragen:
– Wer betreibt denn das arXiv und wie finanziert sich diese Webseite?
– Wie passt eine Veröffentlichung auf dem arXiv mit den Verwertungsrechten durch die Verlage zusammen? Gibt man als Autor*in beim Veröffentlichen bei einem Verlag nicht die kompletten Nutzungsrechte an den Verlag ab?
Ansonsten stellt sich natürlich die Frage, wie Webseiten wie Sci-Hub sich langfristig auf das Publikationswesen wirken. Ähnlich wie Napster nicht die Musikindustrie kaputt gemacht hat, wird Sci-Hub das sicher auch nicht bei den Verlagen schaffen, aber ein Abonnement-Modell wie jetzt Spotify für die Musikindustrie fördert natürlich in gewisser Weise auch einen „Mainstream-Geschmack“. Spannend ist, ob ein „grüner Weg“ beim Open Access auch so einen Themen-Mainstream bei wissenschaftlichen Publikationen fördert, das sowieso schon immer passiert ist, oder vielleicht sogar sinnvoll ist.
Hallo Mathias und willkommen in dieser Kommentarspalte 🙂
– arXiv wird betrieben von ‚uns‘: „arXiv is a community of volunteer authors, readers, moderators, advisory board members, supporting members, donors, and third-party collaborators that are supported by our staff at Cornell University.“ (https://info.arxiv.org/about/people/index.html) und bezahlt von ‚uns‘: https://info.arxiv.org/about/funding.html. Was man so hört, kostet das Ganze einen hohen 6-stelligen Betrag im Jahr, der aber immer leicht gedeckt werden kann: https://info.arxiv.org/about/images/arxiv-membership-program@2x.png Eine kleinere Uni wie z.B. die OvGU zahlt im Normalfall nichts, weil so wenige Zugriffe von da kommen, dass sie gar nicht erst um $1000 angefragt wird.
– Die Agreements, die einem (Mathematik-)Journale vorlegen, haben praktisch alle eine „Repository-Klausel“, die es erlaubt, dass eine Preprint-Version auf dem arXiv verbleibt. Könnte in Medizin anders sein …? Das ist ja immer so eine Sache mit den Nutzungsrechten. Klar haben die komplette Nutzungsrechte, aber eben nicht exklusiv, oder halt nur an der finalen Version in ihrem Layout, aber nicht am intellektuellen Inhalt.
Ganz aktuell und passend dazu (wenn auch nicht speziell auf den Fachbereich der Mathematik bezogen):
„Wissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg erproben ein neues Publikationsmodell, mit dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Erkenntnisse künftig global, kostenfrei und nachhaltig für die Gesellschaft und wissenschaftliche Öffentlichkeit zugänglich machen können.“
https://www.ovgu.de/Presse+_+Medien/Pressemitteilungen/PM+2023/April/PM+33_2023-p-128726.html