EIG014 Definitionssache

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Thomas Kahle

Ist 1 eine Primzahl und wenn nein, warum? Wir können uns in der Mathematik die Antworten solche Fragen aussuchen, je nachdem wie wir die Definitionen machen. Diese Wahlmöglichkeiten haben Einfluss auf die Eleganz und Verständlichkeit von allem, was dann folgt.

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Guten Morgen Thomas!
Guten Morgen Tom!
Sag mal, was ist eigentlich deine Lieblingsprimzahl?
17, wieso?
Ach egal.
Düdüdüdüdü
düdüdü oder so ähnlich.
So, willkommen
im Eigenraum.
Profi-Podcast-Hörerinnen werden sich
vielleicht jetzt irgendwie denken, sie sind bei
Logbuch-Netzpolitik gelandet oder
irgendein weirden
Abklatsch davon.
Sind sie aber nicht, ihr seid im Eigenraum
und der Eigenraum reagiert heute
auf Logbuch-Netzpolitik.
Da trug sich nämlich kürzlich
in Folge 451 etwas
zu. Folge 451
ist krass, oder? Also
wer jetzt Logbuch-Netzpolitik nicht kennt,
das ist ein toller Podcast,
kann ich euch empfehlen, ist natürlich verlinkt und
findet ihr überall, wo es Podcasts gibt.
Und da trug sich jedenfalls neulich
Folgendes zu.
Logbuch-Netzpolitik
Nummer 451
vom 23.1.
23
23 1 23, wie nennt man das?
Wenn so ein Datum in die eine Richtung wie in die andere
Richtung funktioniert und man ein bisschen
cheatet, weil ja eigentlich noch ne 20 dazu
gehört, aber man die jetzt weglässt, weil dann
hat man nichts mehr, worüber man reden kann.
Mir fällt nur auf, Tim, weißt du, also 23
ist ne Primzahl, ne? Ja.
1 ist ne Primzahl.
Und wenn man 23 plus
23 plus 1 rechnet, ist es
47, ist es auch ne Primzahl.
Und die Quersumme von
47 ist 11, ist auch
ne Primzahl.
Wahnsinn. Ist 2 ja eigentlich auch ne Primzahl?
2 ist auch ne Primzahl, ja. Also die
Quersumme von 11, 2 ist auch wieder ne Primzahl.
Das ist interessant. Die Frage ist,
was bedeutet das alles?
Ja, was bedeutet
das alles? Da fühle ich mich natürlich
aufgerufen, vielleicht mal was dazu
zu sagen. Also ihr habt
den Linus
gerade gehört, der hat ja behauptet,
1 sei ne Primzahl.
Und dafür ist er auch in den Kommentaren
heftigst korrigiert worden, angegangen,
fast schon, mit
Videos und YouTube-Links
zurechtgewiesen worden.
Das löste dann sogar so ne Welle von
Remakes aus, also
in den danach aufgenommenen Folgen
taucht diese kleine Scherz immer
wieder auf, dass 1
nur ne Primzahl ist oder eben nicht.
Und 1 ist nach den gängigen
Definitionen keine Primzahl. Da kann man zum Beispiel
mal auf Wikipedia gucken, auf der Allwissenen
Müllhalde. Ne Primzahl, laut der
englischen Wikipedia, ist eine
natürliche Zahl, die größer ist als 1
und sich nicht als Produkt
von zwei kleineren natürlichen Zahlen schreiben
lässt. Oder auf der deutschen
Wikipedia, eine Primzahl
von Lateinisch numerus
primus, erste Zahl,
ist eine natürliche Zahl, die genau
zwei Teile hat.
Da habt ihr aufgepasst, genau
zwei Teile. Also die
Definition, die man so auf dem Schulhof
oder auf der Straße hört, ist vielleicht
ne Primzahl, ist ne Zahl, die nur
durch 1 und sich selbst glatt
teilbar ist. Und wenn man
die Definition nimmt, dann kommt man ja
auf 1 auch. Denn
naja, so in der Mathe
ist es ja immer so, dass man genau hinhören muss und dann
wenn ne Zahl nur
durch 1 und sich selbst teilbar ist, ist es ne Primzahl
und 1 ist durch 1 und sich
selbst, also auch 1, glatt teilbar und durch sonst
nix. Also könnte 1 nach der Definition
ne Primzahl sein. Die beiden
Wikipedia-Definitionen lassen
das aber weg. In der ersten, in der
englischen, da wird einfach das direkt hingeschrieben.
Eine Primzahl ist
eine natürliche Zahl, die größer ist als 1
und sich nicht als Produkt
von zwei kleineren Zahlen schreiben lässt.
Sich übrigens nicht mehr faktorisieren lässt.
Interessant.
Und die deutsche Wikipedia hat tatsächlich
ne andere Definition, nämlich
ne natürliche Zahl, die genau
zwei Teile hat. Und das ist wieder
so ein mathematisches Beamtenstuben-Deutsch.
Genau zwei Teile heißt
eben genau zwei Teile und
nicht einen Teile. Und die 1,
wenn die jetzt durch 1 und sich selbst teilbar ist,
hat sie nicht genau zwei Teile, sondern
nur einen Teile, nämlich
die 1, sich selbst.
So wird da die 1
ausgeschlossen. So, die arme 1 wurde
ausgeschlossen von den Primzahlen.
Und dem wollte ich jetzt mal ein bisschen auf den Grund gehen.
Man kann das zum Beispiel mal historisch betrachten.
Denn die 1
ist noch nicht immer
keine Primzahl. Also das Konzept
der Primzahlen ist schon lange bekannt und geht auch weit zurück.
Schon so die griechische Mathematik
kommt im Prinzip direkt mit der Multiplikation.
Und
bei der griechischen Mathematik wurde aber
die 1 noch anders behandelt als andere
positive Zahlen. Die war vielleicht sogar gar keine
Zahl oder gar keine richtige Zahl.
Da war die 1 eher so ne Art
Einheit. Das Atom der
Zahlen, aus denen alle Zahlen
dann zusammengesetzt werden. Und
das meinen die dann natürlich irgendwie additiv.
Also 2 besteht eben aus
zwei Einsen. Und
deswegen verhält sich die 1 irgendwie anders. Und wenn man
Zahlentheorie machte, hatte man über die 1
in dem Sinne nicht mehr viel
zu sagen, außer dass sie die
Quelle aller Zahlen ist.
Und bezüglich der Multiplikation
verhält sich die 1 ja
neutral. Also mit 1 multiplizieren
macht einfach gar nichts.
Selbst berühmte Zahlentheoretiker
innen wie G. H. Hardy
hatten noch bis ins 20. Jahrhundert
hinein die 1 als Primzahl mit
auf dem Schirm. Also in einem
Zahlentheorie-Lehrbuch,
was so Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen ist,
findet man auch noch die 1
als Primzahl manchmal.
Und das führt uns darauf,
dass wir uns
in der Mathematik über die
Definitionen aussuchen
können, wie
bestimmte Dinge sind und wie bestimmte Dinge
heißen. Und das haben wir eben schon bei den
2 Wikipedia-Definitionen gesehen. Die sind
unterschiedlich.
Also die englische Wikipedia
hat eine andere Definition
als die deutsche Wikipedia.
Und die sind nicht nur unterschiedlich in dem Fall,
dass sie die englische Definition,
die 1, direkt ausschließt,
sondern auch inhaltlich unterschiedlich.
Ich erinnere nochmal, die eine Definition
war, 1 hin oder her,
eine Zahl, die nicht sich als Produkt von
2 kleineren Zahlen schreiben lässt.
Und die andere
Definition war, eine Zahl,
die nur genau 2 Teile hat.
Und das sind 2 unterschiedliche
Dinge.
Denn wenn ich zum Beispiel überprüfen will,
ob die Zahl 12
eine Primzahl ist, dann sagt
mir die 1. Definition, nein, die ist keine
Primzahl, weil ich die als 6 mal 2 schreiben
kann. Und die 2. Definition
sagt mir auch, die ist keine Primzahl, weil sie noch
einen Teiler hat, außer...
Wenn ich 3 Teiler von ihr angebe,
weiß ich's, und dann haben wir den Teiler 1,
den Teiler 12 und den Teiler 6 und den Teiler
2 und den Teiler 3 und den Teiler 4 haben wir auch noch,
sind also mehr als genau
2 Teiler. Also aus unterschiedlichen
Gründen sehe ich an diesen 2
Definitionen, dass die
12 keine Primzahl ist.
Da stellt sich natürlich die Frage, ergeben
die 2 Definitionen wirklich das gleiche
Konzept? Und dem ist so,
also da könnt ihr euch sicher sein,
aber wir sehen hier schon,
dass die Frage,
wie mache ich eine Definition,
auch eine Komponente
hat, Geschmackssache.
Wie ist meine Definition
am nützlichsten? Wie ist
meine Definition am
sinnvollsten? Wie ist meine
Definition am elegantesten?
Solche Dinge
spielen mit herein,
und die sind eben in unterschiedlichen Sprachen,
wie Deutsch, Englisch, Ungarisch oder
Finnisch oder Swahili,
unterschiedlich. Begriffe von
Eleganz, Denkweisen können in
unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich
sein.
So, dann hat man jetzt nicht nur die sprachliche
Komponente, man hat natürlich auch eine mathematische
Komponente. Also ob die 1
eine Primzahl sein soll oder nicht,
das ist ja keine sprachliche Wahl,
sondern das ist eine mathematische
Wahl. In beiden Fällen wurde
die 1 ausgeschlossen. Warum
das so ist, das führt man
meistens auf diesen
Fundamentalsatz der Arithmetik
zurück, den kennen wahrscheinlich auch viele,
nämlich, dass jede
natürliche Zahl
sich schreiben lässt
auf eindeutige Art und Weise
als Produkt von
Primzahlen.
Und diese Eindeutigkeit bedeutet, dass
ich kann natürlich die Reihenfolge
dieser Primfaktoren verändern,
aber welche
Faktoren wie oft vorkommen,
ist immer gleich.
Nehmen wir mal die 40
als eine natürliche Zahl,
die keine Primzahl ist, dann
kann ich die schreiben als 2 mal
20. Da habe ich diese
Faktorzerlegung entdeckt und weiß, dass es keine Primzahl
ist. Die 2 ist eine Primzahl,
aber die 20 kann ich weiter zerlegen
als 2 mal 10, die 10 als 2 mal
5 und dann bin ich fertig.
Also habe ich 2 mal 2
mal 2 mal
5.
Ich könnte aber auch anders anfangen. Die 40 ist 5
mal 8 und dann die 8
zerlegen. Dann bekomme ich 5
mal 2 mal 2 mal 2.
Wieder das Gleiche, nur in einer anderen
Reihenfolge. Und jetzt könnte man
sich natürlich fragen, und das ist nicht klar,
ob es nicht vielleicht auch
noch eine andere
Zerlegung gibt, die nicht 3, 2
und eine 5 nutzt. Bei der 40
kann man sich das leicht überlegen, indem man
die Faktorisierung durchgeht, aber
wenn die Zahl jetzt mal 738
Gazillionen Stellen hat,
sind solche experimentellen Methoden
natürlich nicht zugänglich.
Aber der Fundamentalsatz der Arithmetik
sagt uns eben, dass das so ist.
Jede Zahl hat eine
Primfaktorzerlegung und sie ist bis auf
dieses Ändern der Reihenfolge eindeutig.
Wenn jetzt
die einzelne Primzahl wäre,
hätten wir da ein Problem.
Denn 1 mal 2
mal 2 mal 2 mal
5 ergibt auch 40.
Und die 1
kann ich kostenlos, sozusagen ohne das
Produkt zu verändern, beliebig oft noch
dazuschreiben und hätten wir dann unterschiedliche
Primfaktorzerlegungen.
Und das wird gerne
angeführt als der Grund, warum
1 keine Primzahl sein soll, warum man
die Definition eben so macht,
dass der Fundamentalsatz
der Arithmetik sagt, für
jede natürliche Zahl gibt es
eine eindeutige Primfaktorzerlegung.
Wenn man die 1 als
Primzahl zulassen würde, müsste man
eben eine Ausnahme einführen.
Für jede natürliche Zahl gibt es eine
eindeutige Primfaktorzerlegung,
die 1 nicht benutzt.
So könnte man den Satz, der Satz ist immer noch
richtig, er spricht eben über die
Faktorzerlegung, die
reduziert sind, wo man die überflüssigen
Einsen weggelassen hat.
Der Satz ist fundamental
und auch gar nicht so leicht zu beweisen.
Der Beweis besteht aus zwei Stücken,
nämlich der Existenz
zu einer Zerlegung, die ist eigentlich relativ
einfach, die macht man mit
der mathematischen Induktion.
Also wenn man so eine natürliche Zahl hat,
dann ist die entweder eine Primzahl,
wenn die eine Primzahl ist,
dann ist sie einfach das Produkt
von sich selbst. Das lässt man
übrigens auch zu,
dass dieses Produkt bei der
Primfaktorzerlegung nur aus einer einzigen Primzahl
besteht, obwohl man da ja gar keine
Multiplikation ausführt, lässt man das auch
als Produkt zu. Können wir übrigens noch
einen kleinen Exkurs machen in die Randfälle
Der Fundamentalsatz
der Arithmetik sagt ja auch, dass
die 1, jede
natürliche Zahl, ein eindeutiges
Produkt von Primzahlen ist.
Was denn jetzt eigentlich mit der 1?
Wie kann ich denn die 1 als Produkt
von Primzahlen schreiben?
Und da
kommen wieder Konventionen und Definitionen
ins Spiel, die man auf geschickte Art und Weise
gemacht hat. Wir haben ja jetzt eben
gerade schon akzeptiert, dass das Produkt,
wenn ich die Primzahl 11 als Produkt
von Primzahlen schreiben will, schreibe ich einfach die 11 hin.
Die hat einen Primfaktor,
nämlich sich selbst und sonst
nichts. Also um die 11 als Produkt
von Primzahlen zu schreiben, schreibe ich einfach hin 11.
Auch wenn da jetzt kein Malzeichen vorkommt,
lasse ich das trotzdem als Produkt zu mit einem
Faktor. Aber was jetzt mit der 1?
Und die 1,
die wird definiert als das leere
Produkt. Also wenn
ich mir ein Produkt erlauben kann, was nur
einen Faktor hat, dann kann ich mir vielleicht auch
ein Produkt erlauben, was gar keinen Faktor hat.
Ein Produkt, wo nichts
multipliziert wird. Und nicht nur
nichts multipliziert wird, wo gar keine Faktoren da sind.
Was soll ein Produkt
über eine leere Menge sein?
Ein Produkt über keine Faktoren?
Das
ergibt Sinn zu setzen, dass
dieses leere Produkt 1 ergibt.
Das Neutralelement der Multiplikation.
Und deswegen
ergibt sich dann die 1 als
das Produkt
von gar keiner Primzahl.
Und so sind alle Mengen
von Primzahlen auch
abgedeckt. Jede Menge von
Primzahlen, wenn ich die, sogar jede
Multimenge, Menge mit Vielfachheiten,
wenn ich die multipliziere, kriege ich irgendeine natürliche Zahl.
Jede natürliche Zahl lässt sich faktorisieren
in diese Primzahlzerlegung. Und auch
die leere Menge von Primzahlen ist dabei.
Der ergibt die 1.
So, das war der Exkurs. Aber eigentlich
wollten wir ja sozusagen argumentieren, dass
so eine Primfaktorzerlegung von einer natürlichen Zahl
immer existiert. Naja, entweder die
selbst eine Primzahl. Dann sind wir fertig.
Oder lässt sich nach der englischen
Definition als Produkt von
zwei kleineren Zahlen schreiben.
Und auf die beiden Zahlen kann
ich das Argument dann wieder anwenden.
Die sind entweder beide Primzahlen.
Dann bin ich fertig, weil ich das ja als Produkt von Primzahlen
geschrieben habe, meine Zahl. Oder
die können wieder faktorisiert werden.
Und so mache ich das immer weiter.
Und weil die Zahlen immer kleiner werden, terminiert
dieser Prozess. Und ich bekomme
am Ende ein Produkt von
Primzahlen. Die Eindeutigkeit
ist,
wenn man ein paar Grundtatsachen
wie die Division mit Rest kennt, auch
nicht so schwierig. Die funktioniert im Prinzip so,
dass man zwei Zerlegungen
in Primzahlen
hinschreibt und erstmal nicht
weiß, ob die gleich sind. Man schreibt seine
Zahl n als Produkt von
Primzahlen und dann nochmal auf andere Art und Weise,
potenziell andere Art und Weise als Produkt von Primzahlen.
Und dann nimmt man die erste Primzahl
von der ersten Zerlegung und die
teilt ja das Produkt der anderen
Zerlegung. Und dann muss der einen
von den Faktoren teilen.
Und die Faktoren sind alle Primzahlen.
Der muss also gleich einem der
anderen sein. Und so hangelt man sich dann
durch. Aber da muss man erstmal ein paar Sachen über Primzahlen
noch beweisen. Zum Beispiel, dass wenn die
ein Produkt teilen, dass sie dann einen
der Faktoren teilen. Und dafür braucht man eben
die Division mit Rest.
Okay, das könnt ihr alles in tollen
YouTube-Videos euch anschauen.
Und ich will
gar nicht mehr so drüber reden.
Für mich ist das Interessante, dass man eben
die Definition
angepasst hat.
Also im Lauf der Geschichte
hat man festgestellt,
und das ist, glaube ich, der große
Trend, das ist dieser Wunsch
zur Vereinheitlichung
und zur Eleganz der Mathematik
alles aus
Grundtatsachen abzuleiten, der im 20.
Jahrhundert großen Fortschritt gemacht hat,
der dazu führte,
die Sachen durchzugehen, die ganze Mathematik
durchzugehen und die Definitionen zu bereinigen,
die Definitionen so elegant wie möglich zu machen,
sodass die Sätze
möglichst einfach sind.
Und manchmal gibt es da so low-hanging fruit,
wie zu erkennen, dass
alles einfacher wird, dass man weniger
Fallunterscheidungen in den Aussagen
hat, wenn man 1 nicht
als Primzahl zulässt.
Und anscheinend konnte man das noch
reparieren. Oft hat man das
Problem, dass Definitionen, wenn sie
in der Welt sind, dass man die nicht mehr
richtig ändern kann. Also wenn jetzt
eine Definition gemacht wurde
und damit gearbeitet wurde
und man ändert die Definition hinterher
nochmal ein kleines bisschen,
dann hat man das Problem, dass man immer schauen muss,
auf welche Definitionen sich
die Arbeiten, die man jetzt
benutzt, beziehen. Das kann natürlich
zu großem Kuddelmuddel führen und es ist nicht so, dass es
solches Kuddelmuddel nie gegeben
hätte. Ich kenne zum Beispiel den
Begriff der stabilen Äquivalenz,
das ist
ein Begriff, der
betrifft Mengen
im reellen Raum,
die irgendwie ähnlich sein sollen
bezüglich einer Konstruktion, auf die ich jetzt hier gar nicht
weiter eingehen will. Aber
mein ehemaliger Doktorand Tobias Böger hat
sich damit beschäftigt mit 5 verschiedenen
Definitionen von dieser stabilen Äquivalenz
und einer versuchten
Vereinheitlichung, die sogar
schief gegangen ist. Also
manchmal hat man so Begriffe, wo man
das Gefühl hat, man
weiß, was die Definition tun
soll, man hat ein Gefühl dafür,
man weiß, wie die Definition sich
technisch verhalten soll und trotzdem
bekommt man es irgendwie nicht hin. Es
kann sogar eine Definition,
eine mathematische Erkenntnis sein.
Also es gibt mathematische Arbeiten,
wo die Definition
die entscheidende
Einsicht ist.
Ich habe auch mal so eine geschrieben, in der
mein Co-Autor
mir damals eine Mail
geschickt hatte, dass er
einen Fehler in der Definition gefunden hat.
Also eigentlich per Definition
kann es keinen Fehler in einer Definition geben,
denn wir können alles definieren und trotzdem
habe ich eine E-Mail in meiner Inbox
oder hatte damals eine E-Mail in meiner Inbox,
dass mir mein Co-Autor
offenbarte, dass er denkt, wir haben noch einen
Fehler in einer grundlegenden Definition.
Und was war der Hintergrund? Der Fehler war
in der Definition in dem Sinne, dass die Definition
doch nicht genau das tat,
was wir
vorhatten und
die Arbeit in diesem
Bereich ging eben rückwärts aus.
Wir wussten, was für ein Satz
richtig sein soll, wie
der Fundamentalsatz der Arithmetik.
Man hat den Satz, man weiß
über etwas mathematisches Bescheid
und man macht die Definition so,
dass man diesen Satz gut ausdrücken kann.
Und deswegen kann es auch
einen Fehler in der Definition geben und deswegen kann
auch eine Definition die wichtigste
Hinsicht von einer mathematischen
Forschungsarbeit sein.
Nun ist es so, dass man manchmal die Definition
richtig machen kann und manchmal
kann man es auch nicht. Und ein
Beispiel davon ist die Primzahl 2.
Die Primzahl 2
hat nämlich eine
kuriose Eigenschaft, die ist gerade.
Die geraden Zahlen
sind ja genau die, die durch 2 teilbar sind.
Und wenn man jetzt
irgendeine gerade Zahl hat, die nicht 2 ist,
dann kann die nicht prim sein, weil sie durch 2 teilbar ist
und die 2 umgeht dieses
Problem, weil sie selbst die 2 ist. Wenn sie durch 2
teilbar ist, tut das nichts daran, dass sie eine Primzahl
ist. Sie ist die kleinste Primzahl
und sie ist die einzige Primzahl, die gerade
ist. Und jetzt ist es in der Zahlentheorie
so, dass es viele Sätze gibt,
die einen Unterschied
machen, ob man
die 2 betrachtet als eine Primzahl
in dem Satz
oder eine andere Primzahl.
Und die fangen dann immer an
mit
p, eine ungerade Primzahl.
Und da hat man sich für
diese Formulierung ulsei p, eine ungerade
Primzahl entschieden, um auszudrücken,
dass eine Fallunterscheidung stattfindet.
Der Satz gilt nur für
Primzahlen, die nicht 2 sind.
Und wenn man aber den Fundamentalsatz der Arithmetik
hat und
dafür die Primzahl 2 definitiv
als Primzahl braucht, konnte man sich an dieser
Stelle nicht mehr dafür entscheiden,
dass 2 jetzt keine Primzahl
sein soll, um den Satz eleganter zu machen.
Also in den Folgesätzen,
die für alle Primzahlen,
für alle ungeraden
Primzahlen gelten, konnte man
nicht mehr 2 einfach als
Nicht-Primzahl deklarieren
und dann den Satz für alle Primzahlen
formulieren, sondern
musste darauf ausweichen, den Satz für alle
ungeraden Primzahlen
zu formulieren. Und da
gibt es diesen schönen Ausspruch auf Englisch,
der sagt,
2 is the only prime that's not odd,
which makes it the oddest
of all primes.
Und mit diesem
kleinen Spruch entlasse ich euch.
Ich hoffe, es hat euch gefallen. Wenn dem
so ist, empfehlt uns gerne
weiter. Was ja anscheinend auch einige
getan haben, eine
erfreuliche Entwicklung der Downloadzahlen
könnte natürlich auch dafür sprechen, dass
sich einfach alle neue Geräte
gekauft haben, die jetzt die ganzen Folgen
nochmal herunterladen, aber vielleicht hat sich
ja auch die eine oder andere neue Hörerin
hierher verirrt.
Dann begrüße ich euch und
hoffe, es macht Spaß und
wenn es das tut, empfehlt
uns gerne weiter. So,
dann war's das für heute. Bis bald
mal wieder im Eigenraum. Tschüß!
Ach ja, und hört
euch Lehrbuch-Netzpolitik an. Das ist
wirklich toll und wichtig.

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