EIG019 Kreatives Schreiben

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Thomas Kahle

Es gibt drei goldene Regeln für das Schreiben schöner Mathematikpaper. Leider kennt sie keiner.

Eine Folge über das Schreiben und wie wir nicht so langweilig werden wie KI. Von stilistischen Regeln bis zum Balanceakt zwischen Unterhaltung und Informationsvermittlung.

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Automatisch generiertes Transkript (nicht geprüft)
Hallo, willkommen im Eigenraum. Wir sind mal wieder auf Sendung hier.
Und diesmal soll es etwas um das Schreiben gehen, wie ihr dem Titel entnehmen könnt.
Die letzte Folge mit ChatGPT kam mir ganz gut an.
Danke für das interessante Feedback, das mich ja doch noch auf einige Ideen gebracht hat.
Und na ja, jetzt, wenn man einmal davon weiß und sich damit beschäftigt hat,
wird das auch nicht wieder weggehen.
Also, ich denke mal, das Thema KI ...
Wird uns hier weiter begleiten. Nur ein paar Tage, nachdem diese Eingangsraumfolge mit ChatGPT rauskam,
ging es ja wieder durch die Presse, dass die JournalistInnen, die da am Start waren, mit dem bayerischen Abitur das nochmal probiert haben mit ChatGPT Version 4.
Und da hat es wohl den bayerischen Standard dann erreicht.
Und dann haben sie es gleich in ihrem 11KM-Tagesschau-Podcast verarbeitet.
Das war auch ganz interessant, in dem 11KM-Podcast hatten sie dann auch Diese Tagesschau-Redakteure da, ne Stimme für chatGPT eingebaut und bei denen war das aber ne weibliche Stimme.
Und ja, fand ich ganz interessant, wie man diese Auswahl trifft, ob man dem jetzt irgendwie ein Geschlecht zuordnen will oder ein Geschlecht zuordnen muss.
Ich habe mich gefragt, ob es irgendwie so neutrale Stimmen gibt, aber in den Tools, die ich dann zur Verfügung hatte,
um meine Eigenraum 18 Folge zu produzieren, gab es keine Stimme, die sich hinreichend neutral oder so anhört.
Aber okay. Das kommt eben bei ChatGPT alles auf die Trainingsdaten an und wenn in den Trainingsdaten genug Zeug drin ist, um das bayerische Abitur zu bestehen,
und die Anzahl der Parameter groß genug ist, dann besteht es eben auch das bayerische Abitur.
Und mathematische Perfektion erreicht es ja eben auch da, wo es Trainingsdaten in großer Menge hat und Abituraufgaben sind wahrscheinlich irgendwie zu viel im Internet abgebildet, egal ob es jetzt Mathematik oder die Interpretation einer Parabel ist.
Und für mich sagt das eher was aus über unseren Prüfungsstil, dass JGBT beim bayerischen Abitur gut abschneidet.
Wir zeigen also den Leuten, die was lernen wollen, zeigen wir denen, wie das Ergebnis aussieht.
Also bringen wir denen wirklich irgendwas bei oder zeigen wir ihnen nur, wie das Ergebnis aussieht und fragen das hinterher dann wieder ab.
Dann halten wir irgendwie eine Schablone da drauf auf das, was abgegeben wurde und fragen uns, ob es wieder so aussieht, wie das, was wir erst reingetan haben.
Und wenn Lernen so ist, dann ist es natürlich genau der Prozess, den
abbildet, also so Text zu imitieren.
Und wenn der Text irgendwie nach Regeln funktioniert, wie zum Beispiel so eine gute Interpretation einer Parabel bestimmte Dinge besprechen muss, dann sind das ja auch Regeln.
Und so ein neuronales Netz, so ein LLM, kann eben diese Regeln inferieren mit seinen Massen von Daten.
Also gerade diese Deutschnote von
im bayerischen Abitur hat mich jetzt eigentlich gar nicht so stark überrascht,
weil es sehr gute Materialien im Netz gibt zu genau der Parabel Seegeister, die da interpretiert werden sollte.
Aber das könnt ihr euch mal alles nochmal anhören.
Das bringt mich aber auch nochmal auf eine andere Sache, die ich gern mal von so einem System wie ChatGPT irgendwie sehen würde,
sehen würde oder überhaupt in der KI-Forschung, dass man so ein logisches System nimmt, wie
zum Beispiel Interpretationen von Parabeln im bayerischen Abitur und dann ein neuronales
Netz trainiert, was das gut kann?
Und dann schaut man sich aber irgendwie die Parameter an, die dann gelernt wurden, und blickt noch mal so ein bisschen in die Motorhaube rein und fragt sich, ob man dann irgendwas über die Aufgabenstellung lernen kann.
Also, das geht so ein bisschen in diese Richtung explainable AI oder auch, ja, hinterher zu verstehen, was eigentlich gelernt wurde.
Ist, glaube ich, ein großes Mysterium, wo wir vielleicht noch ein bisschen mehr drüber wissen müssten.
Und das würde mich mal interessieren, also kann man sozusagen aus dem, was das neuronale Netz
am Ende gelernt hat oder in seinen Schichten abgespeichert hat,
dann wieder irgendwas verstehen über die Daten, die man da gelernt hat?
Ich glaube, so bei Bilderkennungsalgorithmen war das schon so, dass man dann gewisse Schichten
von so einem Deep-Learning-Netz zuordnen konnte, dass das eine eher eine Kantenerkennung ist
und das andere vielleicht die Richtung oder Farbcodes abspeichert.
Ja, aber da bin ich jetzt auch nicht so ganz sicher, Aber da bin ich jetzt auch nicht so der Experte drin und ich will ja eigentlich auch über was ganz anderes reden heute, nämlich
Mathematik und Literatur. Also wie kann Mathematik schön geschrieben werden und.
Was ist überhaupt schönes Schreiben?
Und eine Sache, die mir erstmal aufgefallen ist bei dem ChatGPT-Nutzen, was ich ja jetzt eigentlich häufiger mache, ist, dass es irgendwie unglaublich langweilige Texte schreibt.
Also, wenn man irgendwie was da rauskriegen will, dann ist das schon auf Informationsvermittlung getrimmt, aber nicht auf irgendwie Lesespaß.
Auf der Webseite gibt's ja unten so einen Stop Button, wenn das gerade noch den Text erzeugt, dann kann man da drauf drücken, also in so einer Art Notfallmodus oder so.
Ja, ich seh schon, es reicht mir jetzt oder ich seh schon, das Ergebnis geht nicht in die richtige Richtung oder jetzt kommt sowieso nur noch der übliche.
Aber genießen Sie meine Antwort bitte mit Vorsicht, Teil, den man dann gar nicht mehr braucht.
Also irgendwie Chat-GPT haben so ein Unappeal.
Kennt ihr das? Wenn ihr was lest irgendwie und die Gedanken schweifen einfach so ab.
Die Augen lesen noch weiter, aber das Gehirn verarbeitet das irgendwie gar nicht mehr.
Und dann ist man auf einmal am Ende der Seite und fragt sich, was hab ich eigentlich gerade gelesen?
Weil ich hab schon über was anderes nachgedacht, weil das, was ich gelesen hab, irgendwie nicht die Aufmerksamkeitsschwelle erreicht hat.
Ja, und das Phänomen hab ich bei Chat-GPT-Texten leider irgendwie sehr stark.
Kann natürlich auch daran liegen, dass es auf Deutsch auch so Texte produziert, die manchmal so klingen wie wörtliche Übersetzung von Englisch. Also die Textstruktur ist auch nicht so richtig gut auf Deutsch.
Und diese Stärke der Abneigung meines Gehirns, diese Texte zu verarbeiten, die hat mich daran erinnert, wie es ist, mathematische Texte zu lesen.
Also ich kenne das beim mathematischen Papern eigentlich auch manchmal so, dass man sich da so Zeile für Zeile durchkämpfen muss und das Gehirn will einfach an irgendwas anderes denken, es ist irgendwie so eine Schlacht im Gehirn.
Dass die ursprüngliche Motivation, die ich hatte, das Paper zu lesen, sich immer wieder durchsetzen muss, gegen so eine,
äh, könnte man nicht irgendwas interessantes machen, Stimme im Hinterkopf.
Die Vision von Microsoft und Google ist ja, dass Chat-GPT oder so LLM-Systeme irgendwie Word oder ein Mail-Programm ersetzen sollen,
das einem dann hilft, einen Text zu formulieren. Für mich klingt das irgendwie ziemlich furchtbar, wie so eine Horror-Vision,
Weil eben dann alle Texte irgendwie so sind.
Ich wollte vielleicht mal die These aufstellen, dass wenn man jetzt in so einem Prozess ist, wo man denkt irgendwie, hmm,
sollte mir jetzt irgendwie abnehmen, diesen Text zu schreiben,
oder dieser Text hätte auch durch
geschrieben werden können,
dann ist es vielleicht ein Zeichen dafür, dass dieser Text einfach komplett sinnlos ist.
Also ist diese, und damit meine ich jetzt die menschlichen Texte, also ist dieser Teil von menschlicher Kommunikation
sich eigentlich auf einen viel kleineren, nicht verbalen Teil hätte zusammen schrumpfen lassen können.
Also manchmal kommunizieren wir ja über Text, obwohl eigentlich nur eine digitale Information übertragen werden soll.
So etwas wie, sehr geehrte Frau Y, vielen Dank für Ihre Nachricht vom So-und-so-Vierten
und Ihren interessanten Vorschlag, den wir hiermit gerne bestätigen.
Mit freundlichen Grüßen, so und so, das sagt eben auch nur Ja.
Also man hat einen Vorschlag, der kommt per Mail und man will sagen, ja machen wir so, aber es ist gesellschaftlich nicht akzeptiert, ja machen wir so zu sagen. Deswegen muss man diesen ganzen Boilerplate-Text da drum generieren.
Und JGPT ist sozusagen die Maschine, die einem die Aufgabe Höflichkeit vorzutäuschen abnimmt. In unserer hektischen Welt habe ich keine Zeit mehr höflich zu sein, also baue ich eine Höflichkeitsmaschine, die das für mich übernimmt.
So, jetzt könnte ich natürlich denken, könnte ich vielleicht auch mathematische Texte, also diese ganze Höflichkeit, die man braucht, oder das alles, was man für ein mathematisches Paper braucht, kann ich vielleicht auch irgendwie mit JGPT erzeugen.
Und ja, da habe ich mal versucht zu verstehen, was irgendwie so Lesbarkeit und Appeal und Schönheit von einem Text, zum Beispiel einem mathematischen Text, ausmacht.
Und in meiner Recherche habe ich ein sehr wichtiges Zitat von dem Autor Somerset Maughem gefunden, was ich jetzt hier mal adaptiere.
Es ist auf Englisch, weil der ist Engländer. There are three rules for beautiful math paper. Unfortunately nobody knows what they are.
Also die drei wichtigsten Schreibregeln kennt einfach keiner.
So natürlich gibt es ja so ganz viel so Writing Advice, kann ich euch auch ein bisschen was zu verlinken.
Und da lernt man dann so als Doktorandin oder Doktorand, was so die typischen Fehler sind,
die man machen kann beim Schreiben eines Math-Papers und wie man seinen eigenen Stil entwickeln
soll und so weiter und da findet man so ganz allgemeine Hinweise, so wie die Einleitung
ist der Sales-Pitch für dein Paper, also wird man dann so gleich auf diese kapitalistische
Verwertungslogik getrimmt, also es muss irgendwie, man muss sein Resultat verkaufen und die Einleitung
soll dann den Verkauf fördern und dann gibt's natürlich noch diese ganze technische Ebene,
wofür soll man Zeichen benutzen, wofür soll man ein Wort benutzen, Kommasetzung und so weiter.
Das ist eigentlich nicht das, was ich hier unbedingt meine, das ist eher so eine Art.
Grundvoraussetzung, dass man sich überhaupt an stilistische oder Schönheitsfragen heranwagen kann, ja.
Natürlich soll man sich erstmal an die Grammatikregeln halten.
Und für mathematische Texte gibt es dann da eben noch eine erweiterte Liste von Dingen,
wie man mathematische Paper schreibt, ob man bestimmte Dinge, ob man Zahlen zum Beispiel als Zahl oder als Wort schreibt oder
so Dinge, die da immer ganz oben stehen sind, wie zum Beispiel, du sollst keinen Satz mit einem mathematischen Objekt beginnen.
Das ist so ein ganz verbreiteter Tipp, den ich irgendwie natürlich auch befolge, aber so richtig, so richtig dahinterstehen tue ich auch nicht.
Also man soll keinen Satz mit einem mathematischen Objekt beginnen.
Also zum Beispiel, wenn ich mir die ganze Zeit über so eine Matrix A irgendwas schreibe, und jetzt will ich den Aussagesatz machen, A ist invertierbar.
Ja, also A ist eine Matrix, das war jetzt schon in den ganzen Sätzen davor irgendwie diskutiert.
Und jetzt will ich, ich will jetzt sagen, A ist invertierbar. Aussagesatz mit drei Worten, A ist invertierbar.
Und diese stilistischen Regeln sagen wir jetzt, dass es verboten ist.
Warum ist irgendwie eigentlich gar nicht klar. Also, ist mir jetzt nicht bewusst, dass irgendeins von diesen Hinweispapern da irgendwie mehr drauf eingehen würde, warum man das nicht machen soll.
Und die Lösung für sowas ist immer so Füllworte einzufüllen, wie die Matrix A ist invertierbar.
Da steht nämlich nicht mehr das A, was ja so ein mathematisches Zeichen ist, am Anfang des Satzes, sondern da steht die Matrix, da steht das Wort die am Anfang.
Dafür ist der Satz jetzt fünf Worte lang und man hat Füllwörter eingeführt, weil es ist ja eigentlich schon klar, dass A eine Matrix ist, weil ich ja die zwei Sätze davor darüber gesprochen habe.
Naja. Okay. Also wenn ihr es wisst, schreibt es mir in die Kommentare, warum man nicht schreiben soll. A ist invertierbar.
Viele stilistische Dinge sind ja auch Texten allgemein zugeordnet.
Das muss ja nicht nur auf mathematische Texte zutreffen. Man soll zum Beispiel nie so Adjektivketten bilden, die erschweren den Lesefluss.
Kennt ihr vielleicht. Vor allen Dingen, wenn sich bei den Adjektiven eigentlich um Substantive handelt.
Aber viele neue, hochqualitative, technisch orientierte Sätze in rein mathematischen Originalforschungsarbeiten haben das Problem.
Und deswegen wird es hier auch oft nochmal erwähnt.
Also wie dem auch sei. Es gibt also diese technische Ebene, das ist, würde ich erstmal sagen, das Schreibenlernen.
Also erstmal einfach lernen, wie schreibt man so, dass es nicht ganz furchtbar zu lesen ist.
Da hat man aber noch gar keinen eigenen Stil entwickelt.
Mathematische Texte sind da aber schon noch ein bisschen anders als jetzt ein Roman oder so,
wo man sich vielleicht einfach nur an die Regeln der Sprache wie Kommasetzung und Grammatik halten sollte.
Weil mathematische Texte ja einen Quelltext haben. Also man kann es schwer, einen mathematischen Text einfach so mit einem Wort schreiben,
weil man eben diese ganzen Zeichen und die Technik drin hat.
Das heißt, ein mathematischer Text ist schon so irgendwas zwischen einem Programmcode und einem Roman.
Oder Essay oder Short-Story oder irgendeiner freien Form. Man kann sich bei einem Roman im Prinzip noch an die normale alte Schreibmaschine setzen und losschreiben
oder so einen störungsfreien Editor benutzen, der einem den ganzen Computer nur durch so eine weiße Fläche ersetzt,
auf der ein Cursor blinkt und dann kann man seiner Kreativität freien Lauf lassen.
Und das funktioniert bei Mathe eben weniger gut, weil man viel Technik braucht und das normalerweise mit LaTeX macht.
Und mein Punkt ist, das macht ja auch irgendwas mit dem Prozess, also dass man ein technisches Tool benutzt, was komplizierter ist, macht etwas mit dem Schreibprozess.
Da gibt es übrigens noch eine interessante Beziehung zu chatGPT mit diesen kleinen Grammatikregeln.
So was Regeln wie ein Satz nie mit A, also A der Matrix zu beginnen, die sind natürlich für so ein Large Language Model genauso lernbar wie stilistische oder grammatikalische Regeln.
Wenn es einfach keiner macht, dann steht das irgendwo in den Parametern von dem LLM, dass
man das so nicht macht. Und die Schärfe und Präzision, also dass wirklich alle Argumente
richtig sind, die kann das LLM überhaupt nicht. Die fehlen. Bei menschlichen Texten
sind aber diese beiden Sachen stark korreliert. Also die Leute, die viele so kleine stilistische
Fehler machen, die machen auch mathematische Fehler, weil es da einen Common Cause gibt.
Die wahrscheinlich unerfahren sind, sowohl in der Mathematik als auch im Schreiben über
Mathematik und deswegen gibt es da eine Korrelation zwischen stilistischen Fehlern und inhaltlichen
Fehlern. Und unser Gehirn ist halt sehr gut da drin, solche Korrelationen zu entdecken,
und auszunutzen. Also beim Lesen oder der Kontrolle von so einem Paper nutzt unser Gehirn,
dass stilistische Fehler und inhaltliche Fehler korreliert sind. Und Terry Tao hat das neulich
mal auf einen Punkt gebracht. Da hat er geschrieben,
The stylistic signals that I traditionally rely on to smell out a hopelessly incorrect math argument are of little use with LLM-generated mathematics.
Also er sagt, er verlässt sich auf so Signale, stylistische Signale, die ihm zeigen, wo mathematische Argumente fishy sein könnten. Und...
Nur Zeile für Zeile lesen und Argumente nachvollziehen, ist die wirkliche Prüfung, die einem erlaubt, den LLM-Unsinn, mathematischen Unsinn, der perfekt geschrieben ist, zu erkennen.
Das hat er übrigens geschrieben in seinem kurzen Essay über GPT-4 und da war nicht der einzige.
Microsoft hat so eine AI-Anthology herausgegeben, in der verschiedene hochdekorierte WissenschaftlerInnen sich zu GPT-4 geäußert haben.
Könnt ihr euch mal angucken. Da verlinke ich euch auch. Sehr interessant.
Also normalerweise, wenn man mathematische Texte liest, dann gibt es in dem Schreibstil irgendwie schon Hinweise.
Und mit Chat-GPT ist das irgendwie nicht mehr so.
Der Stil ist perfekt und der Inhalt eben nicht.
Und das ist vielleicht auch irgendwas, was einen so abtörnt,
beim Lesen von Texten, die Chat-GPT erzeugt hat.
Dass eben dieser perfekte Stil, vielleicht gibt es da so einen Bruch, so eine Dissonanz,
der perfekte Stil mit mittelmäßigem Inhalt oder der Inhalt, der schwankt in der Qualität.
So, da habe ich mich mal weitergefragt. Also, wenn wir jetzt mal so Literatur nehmen,
richtige Literatur. Was für Beziehungen gibt es denn eigentlich zwischen
Mathematik und Literatur? Und glücklicherweise hat da schon eine Mathematikerin namens Sarah Hart ein Buch darüber geschrieben, das heißt Once, Upon A Prime.
Und da geht es um Parallelen zwischen Literatur und Mathematik. Also genau in die richtige Richtung.
Denn ich werde versuchen zu verstehen, wie man ein Mathe-Paper so schreiben kann, dass es so fesselnd ist wie ein guter Roman.
Und in ihrem Buch, und es gibt so einen New York Times Artikel, der es so ein bisschen zusammenfasst,
da könnt ihr das auch mal nachlesen, schreibt sie, dass es eigentlich im 20. und 21. Jahrhundert, also genau mit der Parallel entwickelt, mit der,
Ja, Axiomatisierung und Korrektheit und Technisierung der Mathematik hat sich die Mathematik von
der Kunst wegentwickelt, also auch von der Literatur.
Und ja, also diese Entwicklung im 20. Jahrhundert, dass man Mathematik auf eine solide logische Grundlage gestellt hat und
die Beweise und Berechnungen viel technischer aufgeschrieben hat, die hat ja auch ihre Vorteile.
Die Vorteile sind natürlich einfachere Überprüfbarkeit, eben, wie wir es schon öfter hatten hier,
die Kunst niemals Fehler zu machen.
Also eine Technik wurde entwickelt, um möglichst wenig Fehler zu machen.
Aber dadurch ist natürlich auch der Stil und das Persönliche und das Menschliche vielleicht
so ein bisschen verschwunden aus der Mathematik.
Und da gibt es in dem Buch, in dem Artikel so ein paar Beispiele.
Zum Beispiel fand ich ganz interessant diese Abrollkurven von Körpern.
Also ihr nehmt irgendwas und rollt das ab.
Zum Beispiel könnt ihr einfach mal so, kann man zweidimensional machen, so einen Kreis
nehmen und markiert einen Punkt und dann rollt der Kreis so lang auf einer Ebene, auf der
x-Achse und man schaut sich die Kurve an, die einen Punkt auf dem Kreis beschreibt.
Da gibt es auch dieses Spiel Spirograph, was so ähnlich funktioniert.
Also man nimmt irgendwie einen Bleistift, steckt den irgendwo in ein drehbares Objekt
und dreht das dann und dann entsteht eine witzige Kurve.
Und diese Abrollkurven, zum Beispiel so eine Zykloide, die waren eine Zeit lang total populär
als mathematisches Objekt, was einfach so im Zeitgeschehen diskutiert wurde.
Und ich hab das nicht überprüft, aber ich hab mir sagen lassen, dass sogar in Mogidic
so eine Zykloid-Kurven vorkommen.
Und da haben sich irgendwie noch alle mit Mathematik auseinandergesetzt, weil sie auch
einfach zugänglicher war, weil diese Axiomatisierung und Technisierung, die dann bedingt, dass
bevor man mitspielen kann, man so eine infanterieartige Grundausbildung machen muss, noch nicht stattgefunden hatte.
Ja, also durch die Spezialisierung kam es dann eher zu so einer Dichotomie, also man
hat die humanwissenschaftlichen Bereich der.
Forschung und den naturwissenschaftlichen Bereich und da gibt es so eine Zweiteilung, da ist auch irgendwas verloren gegangen.
Also auf die Parallelen dazwischen Literatur und Mathematik kann man sich auch mal besinnen.
Gute Mathematik und gutes Schreiben beinhalten beide irgendwie eine Würdigung von Rhythmus und Struktur,
Mustererkennung, Musterdarstellung, Puzzleteile zusammensetzen, so dass sich irgendwie aus der Gesamtschau etwas ergibt.
Eine Erfahrung in wirklich gutem Beweis zu lesen ist vielleicht so ähnlich wie ein wirklich gutes Gedicht zu lesen, oder?
Man liest es vielleicht ein paar Mal, man versteht es nicht beim ersten Mal
und vielleicht ist es auch ziemlich ähnlich, der Prozess, der im Gehirn abläuft.
Da habe ich noch zwei Zitate dazu. Hardy, der hat mal geschrieben,
Ein Mathematiker wie ein Maler oder ein Dichter ist ein Erschaffer von Mustern, a maker of
patterns auf Englisch.
Und die Muster, die die Mathematik erschafft, genau wie bei Malern und Poeten, die müssen schön sein.
Die Ideen, die Farben müssen irgendwie zusammenpassen in harmonischer Art und Weise.
Und die Schönheit ist der erste Test.
Es gibt einfach nach Hardy keinen Platz für hässliche Mathematik.
Das ist ein viel zitiertes Zitat von ihm.
Sofia Kowalewska, ja, die hat sogar mal geschrieben, dass man nicht Mathematikerin sein kann, ohne
auch Poetin in der Seele zu sein.
Man muss eben tiefer sehen als nur die Oberfläche, genau wie es die Poeten tun.
So, aber jetzt von diesen philosophischen Abhandlungen mal wieder zum schönen Schreiben
und der Schönheit der Mathematik als solcher. Es geht mehr eigentlich um den Text. Wie kann
ein mathematisches Paper weniger langweilig sein und weniger so wie die Ausgabe von
? Da muss irgendwie so ein Überraschungsmoment drin sein, ein Funke, eine Spannung. Und
bei guten nicht-mathematischen Texten ist es ja auch so. Aber auf der anderen Seite
hat ein mathematischer Artikel ja ein klares Ziel oder sollte es zumindest haben. Also so
ein Paper, das könnte ja auch wie eine Wanderung sein. Man wandert teilweise des Wanderns wegen,
aber man wandert auch, um irgendwo hinzukommen, also zu einem Aussichtspunkt oder dem Gipfel
des Berges.
Und dann könnte man das Paper so beschreiben wie so eine Art Reisebegleiter oder so ein Mountain Guide.
Und die Beweise sind dann die technisch anspruchsvollen Stellen,
wo man irgendwie über so eine Schlucht klettern muss und es ist gut, wenn man nochmal einen Guide dabei hat,
weil der dann nochmal die Sicherung kontrolliert oder sagt, welche Steine locker sind, wo man nicht drauf treten sollte.
Ja, gibt es eigentlich auch Mathematiker oder Mathematikerinnen, die auch Autoren sind?
Und da fällt einem vielleicht Lewis Carroll ein.
Vielleicht einige wussten gar nicht, dass es auch ein Mathematiker war, aber Lewis Carroll, ist ja ein Künstlername, der Alice in Wonderland geschrieben hat.
Der war auch Mathematiker, der hat auch einige lineare Algebra-Resultate über Relationen zwischen Unterdeterminanten von Matrizen geschrieben.
Und Alice in Wonderland. Also gibt's das. Es gibt Leute, die beides können.
Ich weiß aber nicht genau, ich habe seine mathematischen Originalarbeiten nicht gelesen.
Ob die jetzt besonders gut geschrieben sind oder den gleichen Charme haben wie Alice in Wonderland.
Einen ganz zeitgenössischen Autor mathematischer Texte, die ich sehr interessant finde, will ich auch noch nicht unerwähnt lassen.
Nämlich Ben Orlin. Der hat schon drei Bücher geschrieben und einen Blog.
Den kennt man vielleicht, der Blog heißt Math with Bad Drawings.
Also Mathe mit schlechten Zeichnungen, so schlecht sind die Zeichnungen gar nicht, aber das sind immer so witzige ein oder zwei Bild-Cartoons über Mathematik mit Strichmännchen.
Und von dem gibt es auch Bücher. Und eins, was ich immer erwähnen will in diesem Zusammenhang, ist sein Buch über mathematische Analysis.
Change is the only constant, the wisdom of calculus.
Und man sieht es dem Buch nicht sofort an, aber eigentlich ist es genauso aufgebaut wie ein Lehrbuch über mathematische Analysis.
Also es folgt dem klassischen Vorgehen, dass man erst die reellen Zahlen einführt, dann
so Grenzprozesse.
Wenn man Grenzprozesse hat, kann man Ableitungen machen, integrale Funktionen optimieren und so weiter.
Und das ist schon so eine Art Creative Writing.
Also Creative Writing ist ja ein Fachausdruck dafür, dass man mehr Emotionen und Geschichten auf eine unterhaltsame Art und Weise ausdrückt.
Also vielleicht so, es ist ein Unterrichtsfach, was man in einer Literaturausbildung hätte.
Was man vielleicht nicht auf das wissenschaftliche Schreiben eines Papers anwenden kann.
Aber in diesem Buch, was ja irgendwie eher auf die Richtung ist es Unterhaltung, weiß man nicht, ist es ein Lehrbuch, weiß man auch nicht.
Es folgt dem gleichen Rhythmus wie ein Lehrbuch, es hat so ein ähnliches Inhaltsverzeichnis, es geht durch die gleichen Themen, die man braucht in der Analyse 1,
behandelt die Themen aber in Form von Comics und kurzen unterhaltsamen Geschichten, die keine Beweise enthalten.
Und wenn sie Formeln enthalten, dann sind die halt eben gezeichnet statt in Tech gesetzt.
Und das ist interessant, weil es diese Lesbarkeit und interessante Schreibweise umsetzt,
aber eben doch einem Curriculum irgendwie folgt.
Der technische Stil wird komplett außen vor gelassen.
Jetzt sind wir aber wieder bei der Mathematik des 19. Jahrhunderts.
Also so war ja die Mathematik des 19. Jahrhunderts, man schreibt einfach in Latein oder welcher Sprache man jetzt für am intelligentesten hält, auf, was man rausgefunden hat und was man sich überlegt hat.
Und dadurch, dass man die Formalisierung noch nicht hatte, sind zu viele Fehler passiert und man konnte eine gewisse technische Komplexität nicht überschreiten.
Und durch Einführung der technischen Komplexität konnten wir sicherstellen, dass wir immer richtig liegen oder möglichst wenig Fehler machen.
Und jetzt ist man soweit, dass man davon wieder abrücken kann.
Also dadurch, dass wir sichergestellt haben, dass alles richtig ist, weil wir die technische Entwicklung haben, können wir das Ganze ja auch wieder anders aufschreiben.
Also in diesem ganzen Bereich Lehrbücher ist vielleicht eine größere Chance, dass
man einen unterhaltsamen oder einen besseren Stil findet, als in einem Forschungsartikel.
Ben Orlin hat übrigens noch ein neues Buch geschrieben, 75 ein Viertel Spiele, oder Math
Games with Bad Drawings, im Original, das habe ich auch schon auf dem Schreibtisch liegen,
aber da habe ich noch nicht so viel drin gelesen, aber das will ich mir auch mal bald anschauen.
Vielleicht schaue ich da heute noch mal rein an meinem freien Tag und mache jetzt vielleicht auch langsam Schluss hier, ist ja schon eine Weile.
Also man kann sich irgendwie immer fragen, wenn man einen schönen Text schreiben will und das sollte bei jedem Text, den man schreibt und sei es ein Mathe-Paper,
sollte man immer den Anspruch haben, einen schönen Text zu schreiben, finde ich eigentlich.
Also sich wirklich von Chat-GPT abzusetzen, zumindest so wie es jetzt ist, durch eine Kreativität und eine Spritzigkeit, die wir uns hoffentlich vor den Maschinen irgendwie bewahren können.
Also ist man immer hin und her gerissen zwischen dem Zielkonflikt, Informationsvermittlung oder Unterhaltung.
Also habe ich alle Informationen perfekt und keine LeserInnen mehr oder habe ich alle LeserInnen, aber alles was da steht ist falsch und nur Unterhaltung.
Ja, wo ist der, wo ist der Middle Ground zwischen diesen beiden Extremen?
Und will ich irgendwie einen Prozess abbilden und eine Geschichte erzählen oder will ich Ergebnisse vermitteln?
Wenn ich Ergebnisse vermitteln will, dann frage ich mich, ist das Paper überhaupt die richtige Weise, das zu tun?
Oder gibt es vielleicht andere Arten und Weise, das zu tun?
Das ist vielleicht nochmal eine andere Diskussion. Es gab auch mal eine Pi ist genau drei Folge darüber, über mathematische Paper und warum wir immer daran festkleben, so
Unsere Forschungsergebnisse muss ein PDF-Datei von minimal so und so viel, maximal so und so viel Seiten sein.
Und es gibt eben keinen versionierten Forschungsstand, der irgendwie leicht im Internet nachschlagbar
wäre, sondern diese Kette von Paper, die immer inkrementell aufeinander aufbauen.
Aber das ist eben was anderes als ein Roman.
Okay, also diese PS Genaue 3-Folge könnt ihr euch auch nochmal anhören.
Also, man muss sich fragen, wenn man schreibt, wer ist mein Publikum, was will ich eigentlich sagen, was will ich erreichen und wie schaffe ich es, dass die Leserinnen nicht einschlafen.
Und jetzt bin ich glaube ich wirklich genau einmal herumgekommen, denn sich solche Fragen zu stellen, wenn man schreibt, das steht bestimmt in jedem Style Guide ganz vorne drin.
Und jetzt habe ich euch einfach nur das gesagt, was ihr auch in der ersten Zeile von dem Style Guide lesen könntet.
Naja gut, also ihr wisst jetzt, dass wenn ihr für mich was schreiben wollt, dass es dann bitte schön witzig, spritzig ist und korrekte Informationen enthalten soll.
Ja, also wenn ihr mir die Kommentare auf Mastodon schreibt, dann haltet euch da dran.
Gut, dann soll das hier meine Gedanken gewesen sein, soweit zum Schreiben.
Ich freue mich auf euer Feedback.
Apropos Feedback, neulich habe ich mal meine Apple Podcast Bewertungen angeschaut und die sehen ja eigentlich ganz nett aus,
Aber ich habe auch meine erste Null-Sterne-Bewertung bekommen von jemandem, irgend so einem Dude, der sich von Mathematikerinnen bedroht fühlt und meinte, das wäre nicht seriös, wenn in meinem Podcast auch nicht-männliche Mathematikerinnen vorkommen.
So, also wenn ihr das kontern wollt, dann ihr wisst schon, wo ihr die Sterne hinterlassen könnt in der Podcast-App eurer Wahl. Und ja, also, wenn es euch gefällt, ihr wisst schon, gebt fünf Sterne, abonniert die Glocke, klickt euch das Pro-Abo, ja?
Also, bis zum nächsten Mal auf diesem Kanal. Bis bald! Tschüß!

3 Anmerkung zu “EIG019 Kreatives Schreiben

  1. Matthias Beck

    Hallo Thomas, sehr schöne Folge! You asked for it so… 🙂 einen Grund, einen Satz nicht mit einem mathematischen Symbol anzufangen, ist, daß ein*e Leser*in dann (zumindet leichter) übersehen könnte, daß Du gerade einen neuen Satz angefangen hast. (Das stammt nicht von mir, sondern kann tatsächlich in der Literatur gefunden werden, z.B. in diesem netten Artikel.)

    Antworten

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