EIG030 Unendliche Summen

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Thomas Kahle

Achilles und eine Schildkröte machen ein Wettrennen. Die Schildkröte hat am Start einen Vorsprung. Nach Zenons Analyse aus 400 v.Chr. kann Achilles nicht gewinnen, denn während er dahin läuft, wo die Schildkröte am Start des Rennens war, läuft sie ja schon weiter. An dem Moment ist das gleiche Argument wieder anwendbar, da ein neues Rennen mit Vorsprung der Schildkröte beginnt.

Als ich das letzte Mal gegen eine Schildkröte gerannt bin, konnte ich sie aber relativ leicht ein- und überholen. Und das liegt daran, dass die Summe der unendlich vielen Zeitschritte zum immer wieder Vorsprung aufholen doch endlich ist. Also müssen wir über unendliche Summen reden.

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Verwandte Folge:

Automatisch generiertes Transkript (nicht geprüft)
6, 3, 6, 0, 7, 6, 2, 8,
Stimmung etwas aufzulockern. Nach dieser langen Wartezeit fange ich heute mal
wieder mit einem Witz an. Und der Witz geht so.
Unendlich viele Mathematiker und Mathematikerinnen kommen in eine Bar.
Und der erste Mathematiker bestellt ein Bier.
Die zweite Mathematikerin bestellt ein halbes Bier. Der dritte Mathematiker
bestellt ein Viertelbier.
Und so weiter. Der Barmann serviert zwei Bier und sagt, ach,
wenigstens die Mathematiker wissen noch, wo beim Trinken die Grenze ist.
So, wer diesen Witz nicht verstanden hat, kann sich jetzt diese Folge anhören
und wer ihn nicht lustig fand auch, denn heute soll es um unendliche Summen
gehen, also unendliche Biergläser und unendliche Mathematiker, die trinken wollen.
Aber unendliche Summen, unendliche Summen, also für alle, die gern zu Hause
mitmachen, kann man auch gleich mal so ein bisschen losrechnen.
Also wenn ich jetzt irgendwie irgendwelche Zahlen unendlich oft aufsummiere,
dann wird es ja da schon irgendwelche Probleme geben.
Wenn ich zum Beispiel 1 plus 1 plus 1 plus 1 immer rechne, da kommt er wohl
unendlich raus oder zumindest wächst das ja immer weiter.
Da kann man ja gar nicht sagen, was da rauskommt.
Oder wenn ich ein Minus rein mixe, 1 minus 1 plus 1 minus 1 plus 1 minus 1 und
so weiter, das kommt mir auch komisch vor, denn das wird doch wohl 0 sein.
Also ich habe 1 minus 1 plus 1 minus 1 plus 1 minus 1 Kommt da 0 raus?
Oder wenn ich da irgendwie ein bisschen dran rumbastele, wenn ich erst die 1
nehme und dann minus 1 plus 1 ergibt 0, minus 1 plus 1 ergibt 0,
dann sieht das ja aus, als ob da 1 rauskommt.
Naja, vielleicht kommt ein Halb raus. Ich glaube, Euler hat mal behauptet, da kommt ein Halb raus.
Aber dazu kommen wir gleich. Also es hat mal wieder was mit dem Unendlichen
zu tun und den Paradoxien, die daraus entstehen.
Und die waren ja schon den alten Griechen bekannt. Zum Beispiel gibt es Zenon
von Elea, der wurde geboren 490 vor unserer Zeit.
Und der wird von Aristoteles als Erfinder der Kunst des Argumentierens bezeichnet, die Dialektik.
Plutarch berichtete, dass Zeno eine besondere Fähigkeit entwickelt hatte,
andere zu unterlegen und mit Einwürfen zu bedrängen, bis sie keine Argumente
mehr vorbringen konnten.
Also er hat einfach jede Diskussion geruhlt und sich immer durchgesetzt.
Und von dem sind einige Paradoxien, die mit dem Unendlichen oder dem Unendlich-Kleinen zu tun haben.
Das bekannteste ist wohl dieses Wettrennen zwischen Achilles und der Schildkröte.
Also Achilles ist so dieser Modellathlet, der griechische Modellathlet und die
Schildkröte ist einfach eine ganz normale Schildkröte.
Also der Achilles, der kann ja ziemlich schnell rennen und die gewöhnliche Schildkröte
eben nicht so schnell. Und die machen jetzt ein Rennen, das ist also jetzt die
Geschichte, die sich Xenon ausgedacht hat, um alle Argumente zu gewinnen.
Und das Rennen ist aber ein bisschen unfair, weil Achilles ja viel schneller
ist. Und deswegen kriegt die Schildkröte Vorsprung, einen Meter.
Okay, und die Paradoxie geht jetzt so, während Achilles nach dem Start diesen
einen Meter läuft, also aufholt zur Schildkröte, läuft die Schildkröte ja schon
weiter. Sie ist zwar langsam, aber sie läuft schon weiter.
Und Achilles, wenn er diesen einen Meter überwunden hat, sieht sich mit dem
Problem konfrontiert, dass die Schildkröte Vorsprung vor ihm hat.
Der Vorsprung ist zwar kleiner geworden, aber es ist noch ein Vorsprung da.
Also macht sich Achilles wieder auf den Weg, um diesen Vorsprung aufzuholen.
Wenn er diesen Vorsprung aufgeholt hat, hat sich die Schildkröte aber wieder weiter bewegt.
Und wenn er diesen erneuten Vorsprung aufgeholt hat, hat sich die Schildkröte
wieder weiter bewegt. Ergo kann Achilles die Schildkröte niemals einholen.
So, das ist natürlich auch den Griechen damals schon klar gewesen,
dass das Quatsch ist. Achilles würde die Schildkröte überholen und zwar sehr schnell.
Und trotzdem hat man dieses fast schon mathematische Problem vor sich, was da passiert.
Aber selbst im 20. Jahrhundert wird noch darüber gestritten.
Also nachdem diese ganze Mathematik, über die ich heute rede,
schon bekannt war, wurde immer noch darüber diskutiert.
Da gibt es zum Beispiel Thompsons Lamp, ein Gedankenexperiment aus dem Mitte des 20.
Jahrhunderts. Und da geht es um eine Lampe, die wird immer wieder an- und ausgeschaltet
in immer kürzeren Abständen.
Also nach einer Sekunde wird die Lampe angeschaltet, nach einer halben Sekunde
wird die Lampe ausgeschaltet,
nach einer weiteren Viertelsekunde dann wird sie wieder angeschaltet,
nach einer weiteren Achtelsekunde wird sie wieder ausgeschaltet und so weiter.
Und wenn man die mathematische Analyse macht, dann hat man diese unendlich vielen
Schaltvorgänge und kommt darauf, dass diese unendlich vielen Schaltvorgänge
in zwei Sekunden passen.
Und dann fragt man sich, was ist mit dieser Lampe, Thompsons Lamp,
was ist mit Thompsons Lamp passiert nach diesen zwei Sekunden? Ist sie an? Ist sie aus?
Nun gut, also ich habe Kinder, die spielen auch gern mit so Sachen rum wie Schaltern.
Deswegen ist mir die Antwort klar, die Lampe ist kaputt, denn so viele Schaltvorgänge
hält so eine Lampe nicht aus.
Also man könnte sagen, das sind mathematische Probleme, weil die Mathematik
ja vielleicht die Wissenschaft ist, die sich mit so dem Unendlichen beschäftigt.
Kommen wir also nochmal zurück zur Schildkröte und Achilles.
Das mathematische Konzept, was dahinter steckt, sind Reihen und das ist der
Fachausdruck für unendliche Summen.
Und wir haben es mit so einer unendlichen Summe zu tun, weil wir zum Beispiel,
wenn wir die Zeit bestimmen wollen,
die jetzt Achilles braucht, um die Schildkröte zu überholen,
dann müssten wir gedanklich mal diese unendlich vielen immer kleiner werdenden
Zeitintervalle zusammenzählen, die er braucht, um immer wieder den Vorsprung
der Schildkröte aufzuholen.
Und was jetzt hier mathematisch passiert, ist, dass diese unendliche Summe von
immer kleiner werdenden Zeitintervallen nur eine endliche Zeit ergibt.
Und das ist dann die Zeit, bis Achilles die Schildkröte überholt.
Letztendlich basiert die Paradoxie darauf, dass davon ausgegangen wird,
dass wenn man unendlich viele Dinge zusammen addiert, da auch unendlich rauskommen muss.
Kann niemals einholen heißt, holt erst nach unendlich langer Zeit ein.
Das stimmt aber eben nicht.
Man wird in dem Paradoxon aufs Glatteis geführt, indem man diese unendliche
Summe vor sich sieht und gedanklich dahin geführt wird, dass diese unendliche
Summe automatisch unendlich sein muss.
Man muss sich mit diesen unendlichen Summen eben nochmal im Detail beschäftigen.
Und da fällt mir schon wieder ein Witz ein, in dem sitzen ein Mathematiker,
eine Physikerin und ein Ingenieur zusammen und diskutieren, wann eben eine unendliche Summe endlich ist.
Und der Mathematiker sagt, das geht nur, wenn die Summanden immer kleiner werden.
Daraufhin sagt die Physikerin, die Summe ist endlich, wenn der erste Summand endlich ist.
Und daraufhin sagt der Ingenieur, die Summe ist immer endlich.
Denn irgendwann hört man sowieso auf, noch was dazu zu addieren.
Weil man keine Zeit mehr hat oder kein Geld mehr.
So, bevor ich jetzt diesen Witz erkläre, nehme ich noch eine Sendung entgegen.
Ich habe mir auch überlegt, was jetzt noch eine Informatikerin dazu sagen würde.
Ich habe versucht, irgendwas so mit Lazy Evaluation in Haskell zu finden oder
so, aber falls jemand da die richtige Pointe hat, dann würde ich mich darüber
freuen, wenn ich sie durchgestellt bekomme.
Also hatten wir erstmal fest, eine Summe mit unendlich vielen Summanden kann
auf jeden Fall unendlich werden.
Das hat man ja schon mit 1 plus 1 plus 1 plus 1 unendlich viele Einsen aufsummiert,
ist auf jeden Fall nicht irgendeine endliche Zahl.
Es gibt zwar diesen beliebten Scherz, da kann ich auch mal ein Numberphile-Video
oder so verlinken, dass wenn man die natürlichen Zahlen aufsummiert,
1 plus 2 plus 3 und so weiter, da minus 1 zwölfte rauskommt.
Aber das hat irgendwas mit der Riemannschen Zeta-Funktion zu tun und ist eigentlich
gar kein Scherz, sondern irgendwie wichtig in der theoretischen Physik.
Aber naja, in der mathematischen Welt, in der ich zu Hause bin,
ist die Summe der natürlichen Zahlen nicht endlich.
Und ich kann es beweisen. Ich bin Mathematiker. So, also der Mathematiker aus
dem Witz, der hat jedenfalls schon mal recht, wenn die Summanden nicht immer
kleiner werden, kommt auf jeden Fall nichts Endliches raus.
Wenn die Summanden zum Beispiel wie die natürlichen Zahlen immer größer werden,
wird auch die Summe immer größer.
Aber, dass die Summanden immer kleiner werden, reicht nicht.
Das bringt uns zur sogenannten harmonischen Reihe. Ein sehr wichtiges Beispiel. Beispiel.
Also Reihe, nur hier nochmal als Erinnerung, Reihe ist der Fachausdruck für unendliche Summe.
Wenn ich jetzt manchmal einfach so Reihe sage, dann meine ich eben solche unendlichen Summen.
So harmonische Reihe klingt doch schön, klingt irgendwie nach Musik,
hat auch was mit Musik zu tun, nämlich mit so Frequenzunterschieden,
die Frequenzverdopplung ist die Oktave und da hört mein Musikwissen schon auf.
Deswegen rede ich jetzt mal hier nicht weiter, sondern über die Mathematik der harmonischen Reihe.
Die harmonische Reihe ist nämlich die Summe der Kehrwerte der natürlichen Zahlen.
Also 1 plus 1,5 plus 1,3 plus 1,25 und so weiter.
Diese unendliche Summe. Und es ist schon lange bekannt, schon seit dem 14.
Jahrhundert, dass diese Summe nicht endlich ist. Obwohl die Summanden immer
kleiner werden, ist diese Summe nicht endlich.
Das ist auch so ein kleiner, süßer Beweis, den man sogar im Podcast führen kann.
Also wir beginnen mal mit der 1.
Dann zählen wir dazu ja die 1,5 und dann zählen wir dazu 1 Drittel und 1 Viertel.
1 Drittel und 1 Viertel fasse ich mal zusammen, da ist es auf jeden Fall mehr als 1,5.
Weil 1 Viertel plus 1 Viertel wäre 1,5, aber 1 Drittel plus 1 Viertel ist ja ein bisschen mehr.
Also ist 1 Drittel plus 1 Viertel schon mal mehr als 1,5.
Und dann nehme ich die nächsten vier Summanden, also 1 Fünftel plus 1 Sechstel
plus 1 Siebtel plus 1 Achtel.
Und die zusammen sind auch mehr als 1,5.
Weil dies ist auf jeden Fall mehr als 4 mal 1 Achtel. 4 mal 1 Achtel wäre wieder 1 Halb.
Und jetzt habe ich nicht 4 mal 1 Achtel, sondern noch ein bisschen mehr.
1 Fünftel plus 1 Sechstel plus 1 Siebtel plus 1 Achtel.
Also die 4 zusammen ergeben wieder 1 Halb.
Und jetzt ist es nicht schwer zu zeigen, dass die nächsten 8 Summanden zusammen
auch mehr als 1 Halb ergeben.
Und die nächsten 16 danach auch wieder mehr als 1 Halb.
Also kann man diese Summe ein bisschen kleiner machen.
Und trotzdem steht noch eine Summe von unendlich vielen 1 Halbs da.
Und unendlich viele Einhalbs ergeben wieder unendlich.
Also dieses Argument war schon im 14. Jahrhundert bekannt, bevor diese ganze
Formalisierung von unendlichen Summen bekannt war.
Und man wunderte sich darüber.
Wenn also jetzt die Geschwindigkeiten von Achilles und der Schildkröte so wären,
dass er für die Strecke immer,
naja, kann man jetzt irgendwie ausrechnen, also es ist im Prinzip,
es ist trotzdem möglich, wenn die Geschwindigkeiten richtig sind oder das Verhältnis
von den Geschwindigkeiten, das Achilles, die Schnecke, Schildkröte meine ich,
wirklich nie überholen würde. Dann wäre das Argument anwendbar.
Interessanterweise ist man aber hier so genau an der Grenze,
denn wenn man die Quadrate der Kehrwerte summiert,
das wäre dann also 1 plus ein Viertel plus ein Neuntel plus ein Sechzehntel
und so weiter, dann kommt eine endliche Summe heraus.
Und die Summe ist sogar ganz kurios, die ist nämlich Pi Quadrat Sechstel.
Eigentlich total seltsam, dass man, wenn man so irgendwas mit natürlichen Zahlen
macht, Quadrieren, Kehrwerte nehmen, dass man dann so einen ganz irrationalen
Wert wie Pi Quadrat Sechstel herausbekommt.
Das war auch ein schwieriges mathematisches Problem, das nennt man das Basler Problem.
Es wurde 1735 von Euler gelöst. Euler, die Sonne, alle Mathematiker.
Heller, strahlend als alle seine Zeitgenossen. Naja, auch in diesem Zusammenhang
interessant ist der bronische Witz, den ich auch gern erzähle und auch schon
mehrfach in Podcasts erzählt habe.
Die Summe der Kehrwerte der Primzahlen zum Beispiel ist auch unendlich.
Nimmt man aber die Summe der Kehrwerte der Primzahlzwillinge,
also Primzahlzwillinge sind so zwei Primzahlen, die genau Abstand 2 haben.
Zum Beispiel 5 und 7 oder 3 und 5 sind Primzahlzwillinge, aber die werden dann immer weniger.
Man weiß gar nicht, ob es unendlich viele Primzahlzwillinge überhaupt gibt.
Und obwohl man nicht weiß, ob es unendlich viele Primzahlzwillinge gibt, hat man schon den Wert.
Ausgerechnet, wenn man die Kehrwerte nimmt und alle aufsummiert.
Also was da rauskommt, weiß man.
Aber da unendliche Summen auch endliche Werte ergeben, weiß man deswegen trotzdem
nicht, ob es unendlich viele Primzahlzwillinge gibt.
Verrückt, oder? Und das ist so witzig, das nennt man den Brunischen Witz.
Okay, aber wie formalisiert man nun dieses Nachdenken über unendliche Summen
und wie untersucht man sowas? Wie könnte Euler das Basler Problem lösen?
Und die heutige Formalisierung basiert auf dem Begriff des Grenzwerts einer Zahlenfolge.
Also eine Zahlenfolge ist einfach genau das, das, was man denkt.
Eine Folge von Zahlen. Also die erste Zahl, zweite Zahl, dritte Zahl,
also eine Folge von Zahlen.
Und um die unendliche Summe zu modellieren, betrachtet man sie als Zahlenfolge,
und zwar, jetzt kommt der Witz, oder die Einsicht, als Folge von Summen bis zum enden Summanden.
Statt eine unendliche Summe zu betrachten, die gleich alle unendlich vielen
Summanden hat, betrachte ich erstmal die Summe nur bis zum ersten Summanden.
Und das Ergebnis, wenn ich nur den ersten Summanden nehme, ist mein erstes Glied meiner Zahlenfolge.
Wenn ich die Summe aus dem ersten und dem zweiten Summanden nehme, kriege ich was raus.
Das nenne ich den zweiten Eintrag meiner Zahlenfolge.
Und wenn ich die ersten drei aufsummiere, kriege ich den dritten Eintrag und
wenn ich die ersten vier aufsummiere, den vierten Eintrag und so weiter und so fort.
Und so konstruiere ich eine Zahlenfolge. Das nennt man die Folge der Partialsummen,
also der teilweisen Summen.
Und jetzt konnte man die vielleicht wichtigste Konstruktion der mathematischen
Analysis in Stellung bringen, den Grenzwert.
Man sagt, die unendliche Summe konvergiert oder da kommt etwas raus,
wenn diese Partialsummenfolge sich irgendwann nicht mehr ändert.
Also wenn das Zuaddieren von den ganzen späteren Summanden eigentlich egal ist
oder nur noch ganz, ganz wenig den Wert ändert. Und das ist auch die einzige Möglichkeit.
Wenn ihr den Wert noch viel ändert oder der unendlich lange irgendwie rumfluktuiert,
dann kann man eben der unendlichen Summe keinen Wert zuordnen.
Nur, wenn das Summieren im Wesentlichen am Anfang passiert und am Ende eher
nichts mehr, dann hat man so eine konvergente Reihe oder eine unendliche Summe,
der einen Wert zuordnen kann.
Ja, das wird jetzt alles mit dem Begriff der mathematischen Konvergenz von Zahlenfolgen formalisiert.
Also das kann man jetzt für die Fans auch noch genau ausdrücken.
Also die Zahlenfolge heißt konvergent gegen einen Grenzwert,
wenn für jeden beliebig kleinen Abstand von dem Grenzwert alle bis auf endlich
viele von den Folgengliedern nah an diesem Grenzwert sind.
Und das muss für jeden kleinen Abstand gelten, egal wie klein der Abstand ist.
Also die Folge kann gar nicht anders, als in allen beliebig kleinen Umgebungen
von dem Grenzwert ihre Werte zu nehmen, alle bis auf endlich viele.
Und die endlich vielen, die denkt man sich ja eben am Anfang.
Okay, und somit kann man also sowas ausdrücken, dass eine unendliche Summe einen Wert ergibt.
Hat auch in der Mathematikgeschichte eine Weile gedauert, bis man so eine elegante
Definition gefunden hatte.
Also viele von den Dingen, die ich heute schon erwähnt habe,
die sind vor dieser Definition passiert. Das ist eher so eine 18. bis 19.
Jahrhundertentwicklung und das ist ja auch eine allgemeingültige Definition,
die auf der Mengenlehre letztendlich und auf Eigenschaften von den reellen Zahlen basiert.
Und in der Geschichte war man eben schon mit konkreten Beispielen wie zum Beispiel
der harmonischen Reihe beschäftigt und ihre Divergenz kann man ja zeigen,
ohne diese allgemeine Definition zu benutzen.
Jetzt habe ich schon wieder Divergenz gesagt, also Divergenz ist das Gegenteil von Konvergenz.
Divergenz bedeutet eben, dass die unendliche Summe keinen Wert sich zuordnen lässt.
Genauso hat man das Problem, wenn man zum Beispiel diese 1-1 plus 1-1 Folge betrachtet.
Dort ist es zwar nicht so, dass die Summe irgendwie immer größer wird und dadurch
gegen unendlich abhaut, aber zumindest konvergiert sie nicht.
Denn wenn ich die Partialsummenfolge betrachte, fange ich an mit einer 1,
dann kommt eine 1 minus 1, bin ich bei einer 0.
Dann kommt eine 1 minus 1 plus 1, bin ich bei einer 1.
Kommt eine 1 minus 1 plus 1 minus 1, bin ich wieder bei einer 0.
Also springt diese Folge der teilweisen Summen immer hin und her zwischen 0
und 1 und nähert sich damit nicht einem Grenzwert beliebig nahe an und man kann auch das ausschließen.
So, schon Newton hat sich damit beschäftigt, also dass diese ganzen Entwicklungen,
die sind eng mit der Entwicklung der Differenzialrechnung, Integralrechnung
und der mathematischen Analysis verbunden.
Newton hat zum Beispiel die allgemeine binomische Formel untersucht und die
Methode der Reihen daraus abgeleitet, also wie so eine Art verallgemeinerte
binomische Formel untersucht.
Die binomische Formel, wie ich sie jetzt meine, ist, wenn man a plus b hoch
n rechnet. Aus der Schule kennt man vielleicht a plus b Quadrat.
Und dann, wenn man sich ein bisschen mehr damit beschäftigt hat,
lernt man auch die allgemeine Summe kennen für a plus b hoch n.
Das ist eine Summe mit n plus 1 Summanden, in der auch die Binomialkoeffizienten
vorkommen. und binomische Formel, also mit Binom, weil A plus B ein Binom ist.
Und also das ist etwas für die Geschichtsbücher der Mathematik und da kann man
dann auch lesen, ob Newton oder Leibniz die Differenzialrechnung erfunden haben.
Also da empfehle ich mal für die Geschichte das Buch Analysis von Wolfgang Walter,
ein schönes deutsches Lehrbuch, der Geschichte der Reihen einige Seiten widmet.
Und das verlinke ich auch mal. So, zum Abschluss möchte ich euch noch etwas vorführen.
Was euch vielleicht überrascht, aber vielleicht auch nicht.
Denn mit bestimmten unendlichen Summen kann man jeden beliebigen Wert erreichen.
Also wir hatten ja schon das Beispiel mit dem 1, minus 1, plus 1,
minus 1. Da kann man ja, wenn man die Summanden vertauscht, zum Beispiel sowas machen.
Man nimmt erstmal ein paar von den Plus-Einsen, sagen wir 17 Stück, 17 Plus-Einsen.
Und danach sind ja immer noch unendlich viele Plus-Einsen, unendlich viele Minus-Einsen
in meiner unendlichen Summe. weil von beiden habe ich unendlich viele und ich
habe ja nur 17 plus 1 weggenommen und unendlich minus 17 ist immer noch unendlich.
Also könnte ich, wenn ich die so ein bisschen umordne, nehme ich erstmal meine
17 Einsen und danach geht es halt weiter mit plus 1, minus 1,
plus 1, minus 1, plus 1, minus 1.
Und wenn ich jetzt diese 17 abspalte, dann habe ich also, dass diese unendliche Summe.
Gleich ist sich selbst plus 17. Aber wie kann das sein?
Welche Zahl ist gleich sich selbst plus 17? Gut, unendlich ist gleich sich selbst plus 17.
Da sei noch mal die Folge, eine der ersten Folgen, unendlich minus unendlich, in Erinnerung gerufen.
Da habe ich solche Sachen schon mal besprochen und versucht auszurechnen.
Kann man sich ja noch mal reinziehen, wer es noch nicht getan hat.
Also ist da ein Definitionsproblem. Und denk mal an die formale Definition zurück.
Unendliche Summen sind nämlich nicht einfach Summen. Also es muss irgendwas
mit diesem Umordnen zu tun haben.
Unendliche Summen sind eigentlich Folgen von Partialsummen. Und wenn ich die
17 Einzelnen erstmal nach vorne hole, dann ändere ich diese Folgen von teilweise
Summen natürlich ganz gewaltig.
Eben verschiebe ich sie um 17. Und danach konvergiert sie immer noch nicht,
weil sie immer zwischen 18 und 17 hin und her springt.
Okay, so und jetzt kommt's. hat man nun eine Summe vor sich,
sowas wie die harmonische Reihe,
1, 1,5, 1 Drittel, 1 Viertel und wechselt aber immer das Vorzeichen.
Also sagen wir mal 1 minus 1,5 plus 1 Drittel, minus 1 Viertel, plus 1 Fünfte.
So kann man meiner Behauptung nach jeden beliebigen Wert erreichen,
indem man die Summanden umsortiert.
Also erstmal, machen wir erstmal nicht umsortieren. Also wenn ich 1 minus 1,5
plus 1 Drittel, minus ein Viertel plus ein Fünftel, dann kann ich mein Argument
von vorhin, warum da unendlich rauskommt, natürlich nicht mehr anwenden.
Weil jetzt wird ja das ein Halb abgezogen und ein Drittel dazu addiert,
also ein Viertel wieder abgezogen.
Also das Argument, mit dem ich sammle Terme, bis ich immer ein Halb habe,
funktioniert gar nicht mehr.
Und in der Tat ist, wenn man diese Vorzeichen dann auch einbaut,
der Wert, endlich kommt der natürliche Logarithmus von 2 raus.
Ist jetzt aber nicht so wichtig.
Ich behaupte ja, ich kann die Terme so umsortieren, dass jeder beliebige Wert
rauskommt, ... von zum Beispiel 17. Und das mache ich so ...
Ich nehme erstmal so viele positive Summanden. Ich habe unendlich viele positive
Summanden und unendlich viele negative Summanden zur Verfügung.
Und die haben die Eigenschaft, dass wenn ich alle positiven Summanden zusammen
addiere, das immer noch divergiert, kommt immer noch unendlich raus.
Wenn ich alle negativen Summanden nehme, kommt minus unendlich raus.
Und jetzt mache ich folgenden Trick. Ich nehme so lange positive Summanden,
bis ich über 17 bin mit meiner Partialsumme, mit meiner Summe bis dahin.
Und dann nehme ich mir so lange negative Summanden, bis ich wieder unter 17
bin. wenn ich die noch dazu addiere.
Dann nehme ich wieder positive Summanden, bis ich wieder über 17 bin.
Dann nehme ich wieder negative Summanden, bis ich wieder unter 17 bin.
Und weil meine Summanden immer kleiner werden und ich die von vorne wegnehme,
nähre ich mich damit der 17 beliebig nahe an.
Gut, das war jetzt kein formaler Beweis, aber das ist eine Beweisidee, die sehr weit trägt.
Also man muss die Details noch ausarbeiten. Aber das ist eigentlich der Beweis
von einem sehr wichtigen Satz, dem großen Umordnungssatz von Riemann,
der auch eine sehr interessante Geschichte hat. Also Riemann ist dann schon
eher Richtung 19. Jahrhundert.
Und die Mathematik wäre nicht die Mathematik, wenn sie nicht auch dieses Phänomen
der Umordnung untersucht hätte.
Also die Frage, wann kann man denn in einer unendlichen Summe die Reihenfolge vertauschen?
Stellt sich nämlich raus, dass wenn ich diese Summe der quadratischen Kehrwerte
nehme, 1 plus 1 Viertel plus 1 Neuntel plus 1 Sechzehntel und so weiter,
dass ich da beliebig umordnen kann. Da ist die Addition wirklich kommutativ.
Es kommt immer der gleiche Wert raus. Auch wenn die Folgen von Partialsummen
dort auch unterschiedlich werden durchs Umordnen, kommt dort immer der gleiche Wert raus.
Und die Mathematiker haben das Problem aufgeklärt. Man nennt so eine unendliche
Summe, eine Reihe absolut konvergent, wenn auch nach dem Nehmen von Absolutbeträgen
von jedem Summanden immer noch eine konvergente Reihe rauskommt.
Und solche absolut konvergenten Reihen, die kann man umsortieren und der Reihenwert ändert sich nicht.
Und, naja, mein Beispiel, was ich eben für die 17 genommen habe,
das war ja die harmonische Reihe noch extra mit Vorzeichen.
Das heißt, wenn ich von allen den Absolutbetrag nehme, sind die Vorzeichen genau
wieder weg und ich bekomme die divergente, harmonische Reihe.
Und dieser Umordnungssatz, dass man jeden Wert erreichen kann,
der betrifft eben genau die Reihen, die konvergent sind, aber nicht so absolut
konvergent, nachdem man die Beträge nimmt.
So was gibt's. Okay, also es gibt noch viel, viel mehr darüber zu lernen.
Das wäre dann aber eher der Inhalt eines Grundlagenausbildungs in mathematischer
Analyse, die ich natürlich jeder und jedem, die das hier hören,
nahelegen kann, sich in Mathematik weiterzubilden, zum Beispiel aus dem Buch
von Wolfgang Walter oder in einer schönen Vorlesung in Magdeburg.
Aber ihr könnt natürlich auch einfach den Podcast hören und die Beispiele mitdenken.
So, das war es zu den unendlichen Reihen.
Es gibt zwar sicher fast noch unendlich viel mehr dazu erzählen,
bevor das hier konvergiert wäre als Story.
Aber ich sage euch trotzdem mal Tschüss. Ich hoffe, es hat euch ein bisschen Spaß gemacht.
Folgt dem Eigenraum auf Mastodon und kommentiert fleißig oder folgt,
wo immer das möglich ist. Und wenn es euch gefallen hat, empfehlt uns weiter.
Gebt 5 Sterne, abonniert die Glocke oder was auch immer ihr sonst so tut,
um eure Freude auszudrücken.
Ich danke euch. Bis bald. Tschüss.

1 Anmerkung zu “EIG030 Unendliche Summen

  1. Henning

    Vorschlag zum Anwort des Inforatikers im Witz:
    „Nach mehreren Durchläufen kann ich versichern, dass die Zahl irgendwo zwischen -32.768 und 32.767 liegt.“

    Vielleicht nicht die ausgefeilteste Idee, aber ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich als Informatiker einmal einzubringen.
    Das Folge hat mich wieder in mein erstes Semester zurückversetzt. 🙂
    Beste Grüße aus Aachen

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